Walter Seitter
Hannah Feigl, 2010

Walter Seitter

Hoher Markt 4
A-1010 Wien
Tel: ++43 1 533 82 27
walter.seitter@aon.at
www.walterseitter.at
de.wikipedia.org/wiki/Walter_Seitter
hermesgruppe.blogspot.com/


Philosophisches Manifest
von Walter Seitter

Wenn man sich so umhört, wenn man so herumliest, wenn man auf seine eigene Empfindung hört, so hat man nicht den Eindruck, dass unsere Gegenwart unter dem Gesichtspunkt einer großformatigen, einer weitreichenden Betrachtung zu Zufriedenheit und Optimismus einlädt.

Doch die Philosophen als solche könnten, so meine ich, aus der Lage einen gewissen Gewinn ziehen, insofern sie dazu veranlasst, geradezu gezwungen werden, die Denktätigkeit, die ja ihr Beruf sein soll, auf Fragen zu richten, die sich aufdrängen und die nicht nur sie selber und nicht nur die Büchergelehrsamkeit angehen.

Ich gehe von einer Erscheinung aus, die zunächst rein sprachlicher Natur zu sein scheint, nämlich von der Inflation des Wortes „Wert“, vor allem des Plurals „Werte“. Seit kurzem drängt sich dieser Begriff in die Zeitungen, in die Sprache der Politiker, sogar in manche Institutionen hinein. Es ist die Rede von „bürgerlichen Werten“ (Wahlkampf 2016), von „europäischen Werten“, die zu verteidigen sind oder auf die wir uns selber wieder besinnen sollen, von „Wertekursen“, in denen solche vermittelt werden sollen.

Was ist mit derartigen „Werten“ gemeint? Zweifellos Qualitäten oder Zustände, die von vielen für wichtig gehalten werden und wo irgendetwas nicht gleichgültig ist, wo irgendetwas „nicht egal“ ist. Solche Qualitäten oder Zustände gibt es sicherlich – angefangen bei der Qualität von Nahrungsmittel, beim zwischenmenschlichen Umgang, bei der Erträglichkeit oder Unerträglichkeit von politischen Regimen. Allerdings stellt sich immer wieder die Frage, ob alle Betroffenen oder Beobachter jene Dinge gleich beurteilen, ob also die Beurteilungskriterien einheitlich sind oder zumindest gemeinsam, im Austausch, gesucht und gefunden werden können. Ob also da eine intersubjektive, etwa gar eine objektive Verständigung vorausgesetzt oder hergestellt oder versucht werden kann. Oder ob bloßes Meinen die Oberhand behält.

Subjektivität, Intersubjektivität oder Objektivität – das sind die eingeführten Begriffe für diese Problematik. Ich möchte sie aber nicht mit der Wert-Terminologie angehen, auch nicht darüber entscheiden, ob diese für kulturelle, soziale, politische Fragestellungen brauchbar ist.

Sondern ich behaupte einfach, dass sie letzten Endes auch eine Sache von Erkenntnismöglichkeiten, ja Erkenntnispflichten ist. Daß so etwas wie ein sensus communis ein Desiderat unserer Zeit ist, und dass er sich aus folgenden Elementen zusammensetzt.

Erstens: mein von altersher bekannter Sensualismus plädiert für die Wahrnehmungssinne, die natürlich subjektiv sind, aber gewisse Objektivitätsleistungen sind ihnen nicht abzusprechen. Wenn ich eine rote Kirsche sehe, dann mag das Rot zwar dank meinem Organismus in meinem Bewusstsein gebildet werden, aber etwas an der Kirsche selber ist die Ursache dafür, dass ich die Rot-Erscheinung habe; gleiches gilt auch für die Kugelform der Kirsche, die ja noch dazu durch den Tastsinn bestätigt wird. Mehr Erfahrungswissen gehört aber dazu, unterscheiden zu können, ob es sich um eine noch nicht ganz reife Schwarzkirsche handelt oder um eine reife Rotkirsche. Und schlussendlich wird einer dritter Sinn, nämlich der Geschmackssinn über die Qualität der Kirsche entscheiden, um derentwillen wir uns überhaupt für sie interessieren. Doch für die Kirsche bedeutet der beißende, schmeckende, schluckende Zugriff Vernichtung. Die Sinnestätigkeiten sind keine rein idyllische Veranstaltung.

Zweitens gehört zum sensus communis auf einer gewissen Metaebene: ein Sinn für Wahrheit, ein Sinn für Schönheit, ein Sinn für Gutheit (Güte, Gerechtigkeit, Richtigkeit); diese Sinne zieren jeden kultivierten Menschen (was nicht heißt, dass sie den Babies gänzlich fehlen). Es handelt sich um Sensibilitäten, die subjektiv sind, wo sollen sie denn sonst sein, sie sind sogar tief in der Struktur der Persönlichkeit verankert, folglich auch intersubjektiv bedingt, weshalb Fehleinstellungen zu hartnäckigen Verkennungen führen können. Trotzdem handelt es sich potenziell, vielleicht okkasionell, um Erkenntnismöglichkeiten. Wenn jemand diese Erkenntnismöglichkeiten in Abrede stellt, so spricht er in erster Linie für sich, d. h. gegen sich. Schade.

Unter dem sensus communis verstehe ich also ein Ensemble breit gestreuter und anspruchsvoller kognitiver Fähigkeiten. Sofern damit auch politische Fähigkeiten gemeint sind, gehen sie übers rein Kognitive hinaus und schließen Einstellungen, Verhaltensbereitschaften, Flexibilitäten oder Erregungsdispositionen ein. So würde Aristoteles sagen, wenn jemand gar nicht zornig werden kann, dann fehlt ihm etwas.

Aber die drei genannten objektiven Qualitäten – Wahrheit, Schönheit, Gutheit – unter welchen Allgemeinbegriff soll ich sie stellen? Etwa Ideen? Ideen im platonischen Sinn könnte man sie nennen, wenn nicht das Wort „Ideen“ seit einigen Jahrhunderten überwiegend subjektiv verstanden würde. „Ideale“ – auch das wäre zur Not möglich: Dimensionen von Idealität ? Oder man zieht wiederum das Wort „Sinn“ heran, jetzt in einer anderen mehr objektiven Bedeutung, die vom Semantischen über das Optative bis zum Normativen reicht: wie wir vom „Sinn“ des Lebens sprechen, vom Streben nach Sinnerfüllung, von einem Sinnanspruch, unter dem unser Handeln steht.

Ich bezeichne jetzt einmal die drei genannten Qualitäten als „Sinnqualitäten mit normativer Bedeutung“: Aussagen sollen wahr sein, Blumen sollen schön sein; Menschen und andere Dinge und Handlungen sollen gut sein: gut zu etwas, vollkommen, richtig.

Erinnert dies an Platon? Ja hoffentlich nicht nur an ihn sondern an irgend Gesehenes. Sehen und sagen. Partieller Platonismus, der von seiner Ideenlehre nur die dreigliedrige Spitze übernimmt. Und der wohlgemerkt diese drei normativen Qualitäten voneinander unterscheidet.

Die beiden objektiven Normen, Forderungen, Herausforderungen an den Menschen nenne ich jetzt einmal „Richtigkeit“ und „Wahrheit“ – Richtigkeit des Handelns, Wahrheit des Aussagens. Beide Normen können auch relativ banale Forderungen stellen und Erfüllungen finden. Neuerdings macht ja die sogenannte bloße Faktenwahrheit Schlagzeilen, weil sie angeblich als obsolet abgetan wird: „postfaktisch“, „posttruth“. Die Wochenzeitung Die Furche schrieb von „wahrheitsbefreiter“ oder „wahrheitsunabhängiger“ Berichterstattung oder Propaganda. Heimito von Doderer seinerzeit von „Apperzeptionsverweigerung“ und von der „Wut“ als korrespondierender Emotion.

Meines Erachtens ist mit den beiden wenn Sie wollen „abstrakten“ Normen – Richtigkeit und Wahrheit - der sensus communis auf der normativen Ebene einigermaßen umrissen. Er ist übrigens nicht mit voreiliger Konsensbereitschaft identisch, eher verbindet er sich mit einer gewissen Dissens-Toleranz. Seine Bewährungsprobe hat er nicht nur innerhalb von Gemeinschaften abzulegen, sondern innerhalb von Gesellschaften, in denen auch Fremde zusammenleben müssen. Das ist die Lektion von Helmuth Plessner.

Ich habe eben gesagt, dass alle Dinge die Pflicht haben, zu etwas gut zu sein. Das gilt auch für die Religionen. Die haben aufgrund ihrer spezifischen Mächtigkeit die Pflicht, zum sensus communis beizutragen. Ob sie ihn tatsächlich zustandebringen oder eher verhindern, das sei jetzt einmal dahingestellt.

Die Philosophie muß den sensus communis definieren können. Sie sollte natürlich noch mehr zu seinem Zustandekommen beitragen. Auf der pragmatischen Ebene ist „beitragen“, „etwas zu etwas beitragen“ ein Element des sensus communis. Die pragmatischen, die handlungsmäßigen Elemente dieses Sensibilitäten-Bündels bilden ein weites Feld als da sind: provozieren und reagieren, monologisieren und dialogisieren, sich auseinandersetzen und erfinden.

Wien, am 14. Dezember 2016

Extras

 

Walter Seitter (mit Elena Repka)


PHYSIK DES DASEINS


Büchercafé Enastron

Solonos 101

Athen, Griechenland


Mittwoch, 21. Februar 2024, 18 Uhr


Dieses Mal  drei Eulen nach Athen.

Bericht von  dem  ziemlich alten Buch und dennoch neuesten Buch,  das Michel Foucault im Jahr 1966 geschrieben und sofort verschwiegen und weggesperrt hat: Le discours philosophique (Paris 2023). Damals hat  er seine „Archäologie“ und „Genealogie“ der menschlichen und allzumenschlichen Wissenschaften der europäischen Neuzeit für einen Moment verlassen - aber dann doch gleich mit denen weitergemacht. Bis ihn deren Problematik in die Antike zurückgetrieben hat, wo er „neue“ Anfänge des Philosophierens ausfindig gemacht hat.  Noch dazu die relativ gut bekannten athenischen. 

Nach meiner dreizehnjährigen Expedition durch die aristotelische Metaphysik  ein kurzer Bericht von der dortigen Anthropologie der Wissenschaften. Die Latenzzeit des aristotelischen Buches scheint noch länger zu während als die des foucaltianischen - denn die neuzeitliche Wissenschaftspolitik hat die Unterscheidungen zwischen produktiven (technischen) und konduktiven (praktischen) und kontemplativen (theoretischen) Wissenschaften suspendiert  (und damit diese entmächtigt). 

Karl Valentin hat mit seinem Statement „Gott sei Dank ist die Autobahn nicht so breit wie sie lang ist“ der Hoffnung Ausdruck gegeben,  daß der Sieg der Naturwissenschaft über die Natur kein endgültiger sein wird, sondern in Kompromisslösungen eingehen kann.

Im Beiprogramm:


Besuch der alten Ottonischen Universität, Sonne auf der Terrasse des Akropolis-Museums gegenüber der Akropolis, Abend  mit Konzert im Hotel Grande Bretagne

 

Extra am 7. September 2023
15 Uhr

Künstlerhaus
Salon am Karlsplatz
1010 Wien

Auszeichnung für  Gerhard Fischer
mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst

Walter Seitter: Laudatio

Ich rekapituliere die schon ungefähr vierzig Jahre währende Tätigkeit von Gerhard Fischer, der mit seinen multimedialen Aufführungen wichtige Phasen des kulturellen Lebens vergegenwärtigt und damit auch das urbane Leben Wiens bereichert. 

Mein Resümee:
Ich gratuliere der Republik Österreich zu dir!

 

Extra am 1. Juli 2023

VINOE, Piaristengasse 35, 1080 Wien
17 Uhr
Walter Seitter

Aristotelische Wissenschaftstheorie

Aristoteles hat seine professionelle Tätigkeit mit dem Begriff „Wissenschaft“ gefaßt - den er in mehrfachem Sinn in den Plural gesetzt hat: technische und praktische und theoretische Wissenschaften. Was diesen mehrdimensionalen Raum auseinanderspreizt, das sind verschiedene vitale Zielsetzungen

Einigen Wissenschaften sprach Aristoteles die spezielle Qualität des Philosophischen zu.

 

Extra am 29. Jänner 2023

VINOE, Piaristengasse 35, 1080 Wien
17 Uhr
Walter Seitter

„Die Einführung der Schneeflocke in die Politikwissenschaft“

In den Menschenfassungen, die 1985 zuerst erschienen, habe ich ohne systematische Absicht, die wohlbekannte Erscheinung der Schneeflocken, ein Naturphänomen (das damals noch kaum durch sogenannte Schneekanonen simuliert oder ersetzt worden ist) auf menschliche Verhaltensweisen und Handlungssysteme bezogen, ohne die sie uns kaum bekannt wäre.

Diese Handlungssysteme reichen von kognitiven Verhaltensweisen wie Wissen, Erwartung, Überraschung, wissenschaftlichen Untersuchungen (siehe Johannes Kepler), Verkehrsproblemen, Wintersport und Tourismusgeschäft, bis zu längerfristigen Klimaprognosen.

Für meinen intellektuellen Werdegang bedeuten diese Betrachtungen die ersten Schritte auf dem Weg zu einer philosophischen Physik abseits von oder in Gegenstellung zur modernen Naturwissenschaft, die zu einer Laborwissenschaft geworden ist und mit ihren erfolgreichen industriellen Anwendungen die Macht der Natur zurückdrängt, was sich diese nicht überall gefallen läßt.

 

Buchpräsentation:

Um Mensch und Recht. Der Beitrag von René Marcic zur Menschenrechtsbildung

Donnerstag, 12. Mai 2022

Universität Wien, HS 3

Ich erinnere daran, daß mir René Marcic  (1919-1971) als Publizist seit meiner Kindheit bekannt ist, als Rechtsphilosoph nur sporadisch. Daher beziehe ich mich auf seine Antrittsvorlesung aus dem Jahr 1964, die „Ernst Jüngers Rechtsentwurf zum Weltstaat“ gewidmet ist und in der er für seine Ansicht  auch Formulierungen des Schriftstellers Ernst Jünger (1895-1998) übernimmt.

Bekannt ist der Gegensatz zwischen den beiden rechtsphilosophischen Schulen, die unter „Positivismus“ und „Naturrecht“ firmieren, als deren Vertreter Hans Kelsen (1881-1973) und eben René Marcic genannt werden können. 

Die gemeinsame Problemlage besteht darin, daß die staatliche Organisation des menschlichen Zusammenlebens Verordnungen und Gebote, Verbote und Strafmöglichkeiten inkludiert, die mit dem Anspruch auf Rechtmäßigkeit und sogar Gerechtigkeit auftreten.

Die Naturrechtler behaupten, daß das Recht und die Gerechtigkeit schon „vor“ ihrer staatlichen Positivierung mit  Rechtsempfinden, also  mit menschlicher  Vernunft erkannt werden können, weil sie in einer davor liegenden Ordnung der Realität grundgelegt sind. Ja daß die „Menschenwürde“ ein besserer Begriff für die „Menschennatur“ ist, welche ohne Menschenrechte und Menschenpflichten nicht zu denken  ist.

Die Positivisten hegen gegenüber derartigen Erkenntnisansprüchen größte Skepsis und befürchten aus dieser Richtung autoritäre Staatsmodelle und -praktiken. Sie sehen das Recht nur in den staatlich durchgesetzten Normen realisiert - müssen aber dann zur Kenntnis nehmen, daß die Staatsordnung verschiedene Richtungen einschlagen kann. Hans Kelsen befand sich  nach dem Ersten Weltkrieg in der privilegierten Situation eines Verfassunggebers, der für seinen Entwurf die nötige politische Unterstützung fand. In seinen Entwurf flossen verschiedene Übernahmen und Prioritäten ein, für die er kein philosophisches Konzept namhaft machte.


Ob nun präpositives oder positives Recht - dem Recht eignet eine Qualität , die eine andere ist als das Schöne oder das Nahrhafte und die gegen Unrecht durchgesetzt werden soll.  Und das geht nicht ohne  Macht.  Zwischen Recht und Macht besteht kein Gegensatz sondern ein  Unterschied anderer Art: ein Unterschied mit gegenseitiger Anziehung: Recht braucht Macht und Macht tritt immer mit Rechtsanspruch auf. Trotzdem bleibt der Unterschied. 

 


 

 

 

Rede zur Ausstellung

Flecken

Kunstraum am Schauplatz
Praterstraße 42
1020 Wien

22. Mai 2020, 18 Uhr


Sehr geehrte und liebe Leute,

in den Siebziger- und Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts, als ich in der Nähe von Aachen, genauer gesagt in Venwegen über Aachen oder im Kornelimünsterer Reich gelebt habe, begab es sich, daß in einem anderen benachbarten Reich, nämlich in dem von Burtscheid, endlich eine Schule gegründet worden ist, die als Burtscheider Schule damals vielleicht wenig Aufsehen erregt hat, der aber, wie man heute sehen kann, eine langfristige und weiträumige Wirkung beschieden war.  Auch Peter Funken war damals dabei – ob als Schüler, ob als Lehrer, diese Unterscheidug mag eine begrenzte Gültigkeit haben, aber keine unbegrenzte. Das Unbegrenzte gibt es nämlich sowieso nicht – jedenfalls nicht beim Fleck.

In dieser Schule hat sich damals eine Lehre, eine Wissenschaft und eine Kunst – oder viel mehr mehrere Künste haben sich da herangebildet, eine Kunst zum Reden und Denken, eine Kunst zum Zeichnen und Malen, eine Kunst zum Dasein und zum Reisen, eine Kunst zum Vorstellen und zum Ausstellen.

Paradoxerweise ist der Fleck ein weites Feld, in dem ich jetzt nur einige Aspekte hervorhebe. Innerhalb der Ästhetik, nämlich der Ästhetik der Malerei, erscheint der Fleck als minimales Element, als kleinster Anfang, ja als notwendiges Prinzip, aber eben doch nur als Minimum. Die neuere Malerei hat sich vielmals auf so ein Minimun zurückgezogen, sich damit zufrieden gegeben. Nun ja, wer unbedingt bescheiden sein will, mag es sein. Auch in anderen Wissenschaften, etwa in der Mathematik oder in der Ontologie spielt das Kleine hie und da eine große Rolle – davon anderswo.

Es gibt aber auch eine Wissenschaft, in der der Fleck als ein Zuviel, ja als ein unerwünschtes Zuviel zum Gegenstand von Betrachtungen und Analysen und sogar zum Objekt von Gegenmaßnahmen gemacht wird. Das ist die Ökonomik als die Wissenschaft von der Ordnung des Haushalts. Im Haushalt, also auf dem weißen Tischtuch, auf dem neuen Kleid, auf der schönen Hose tauchen manchmal ganz plötzlich sehr unerwünschte ja bösartige Rotwein- oder Kaffee- oder gar Gulaschflecken auf, die man zunächst überdecken kann, aber dann müssen gewaltsame bzw. wissenschaftliche Antifleckenprozeduren eingeleitet werden. Solche Flecken stammen hauptsächlich aus dem Koch- bzw. Essbetrieb, wo wohlschmeckende, häufig auch starkfarbige, mehr oder weniger flüssige sogenannte Substanzen oder Mischungen oder angebliche Veredelungen zubereitet und dem Menschenkörper in kleinen Portionen einverleibt werden, wobei es kaum ganz fleckenlos zugehen kann. Zur Ökonomik gehört ja auch die Wissenschaft von den Abfällen – die wiederum können manchmal ganz schön massiv ausfallen. Daher zitiere ich da eine Inskription des auch hier ausgestellten Malers Siegward Sprotte:

Wo der Zufall abnimmt, nimmt der Abfall zu.

Der unerwünschte Fleck wurde unter der zusätzlichen Bezeichnung des Makels auch von der Theologie, die sich bekanntlich in alles einmischt, in Beschlag genommen. Etwa in der Form, daß eine bestimmte Person von einem bestimmten Makel, von dem angeblich alle Menschen seit Adam befallen sind, verschont werden musste, weil nur so eine bestimmte göttliche Operation vonstatten gehen konnte. In seinem Jugendroman Die suspendierte Berufung hat Pierre Klossowski davon berichtet, wie im Mittelalter die Franziskaner und die Dominikaner ohne Häresieverdächtigung darüber gestritten haben, ob besagte Person vom allerersten Anfang an oder erst in irgendeiner Frühphase unbefleckt geworden ist. Die Sache wurde erst im Jahre 1854 dogmatisiert, sodass sie nun endgültig klargestellt ist (trotzdem weiß niemand so recht, was am 8. Dezember eigentlich gefeiert wird).

Zum Glück hat die Wiener Ökonomie, das ist die Kunst der guten Haushaltsführung, sowohl in der Küche wie auch auf dem Gebiet der Bodenkultur dem Fleck eine Verkleinerungs- und Koseform beigegeben, so daß die Fleckerl (womöglich mit angehängtem n) ein unbescholtenes Leben führen dürfen.

Als Ursprung der Malerei hat sich der Fleck immerhin in diesem Spezialgebiet der Ästhetik ein gewisses Existenzrecht gesichert – aber doch nur ein sehr limitiertes, denn wer interessiert sich schon für Malerei, da diese selbst in der Kunst angeblich längst überholt ist?

Immerhin gibt es in der Malerei des 19. Jahrhunderts ein Gemälde mit dem Titel „Der Ursprung der Welt“. Auf dem sieht man, eigentlich sieht man nicht, aber es ist so, daß es ohne Befleckung gar nicht geht. Ohne Befleckung würde es da in unserer Menschenwelt gar nichts geben. Und das wäre vielleicht irgendwie schade.



Ich danke Ihnen.

11. Juli 2020, 13 Uhr


Christine König Galerie

Schleifmühlgasse 1A

1040 Wien

Walter Seitter  mit Thomas Miessgang

Gespräch über Pierre Klossowski

"Eros und Beelzebub"

Pierre Klossowski (1905-2001) stand in den Dreißigerjahren  den französischen Surrealisten nahe, die den Marquis de Sade (1740-1814) verehrten. Klossowski sah in ihm die radikalste Personifizierung von Absolutismus, Atheismus und Libertinage, der das Ausleben der Leidenschaften bis zur Selbstzerstörung durchexerzierte, aber auch literarisch durchprogrammierte. Gleichwohl und eben deswegen betrachtet er ihn als seinen "Nächsten" und hält ihm  seine eigenen  Erotik-Darstellungen und -Ausweitungen entgegen.

Die multimediale  Kooperation mit seiner Ehefrau  Denise und "Roberte" hat Pierre Klossowski schließlich ermutigt und vielleicht befähigt, den zeitgenössischen und quasi-sadianischen Akteur "Industrie" ins Auge zu fassen.

Thomas Miessgang verweist (mit Thomas Piketty) auf die Archäologie einer gewaltenteiligen, nicht-sadianischen Ordnung: der von Georges Dumézil erforschten indogermanischen Trifunktionalität. 

Literatur:
Pierre Klossowski: Die Ähnlichkeit (Bern-Berlin 1986)
Pierre Klossowski: Divertimento für Gilles Deleuze (Berlin 2005)
Pierre Klossowski:  Lebendes Geld (Wien 2018)
I. Gurschler, H. Ebner, W. Seitter (Hg.): Wörter, Bilder, Körper. Zu Pierre Klossowskis Lebendes Geld (Wien 2018)


Vortrag 13. Februar 2019

20 Uhr
Psychoanalytische  Akademie
Salzgries 16


Sind die Dinge harmlos? 

Ein großer Teil unserer Lebenswelt besteht - materiell gesehen - aus dem, was wir "Dinge" nennen. Sie verhalten sich zumeist ruhig und viele von ihnen halten wir für lebensnotwendig.

Es gibt indessen zwei Denkbewegungen, die sich dem Gesagten entgegenstellen, es zumindest relativieren. 

Zum einen wird ihre Ruhigkeit in Frage gestellt, als bloßer Schein oder gar als Ergebnis einer bestimmten "Politik" entlarvt. Zum anderen wird ihr Vorhandensein oder gar ihr Überhandnehmen fundamental kritisiert.

Was ist davon zu halten?


10. 12. 2018
Walter Seitter: Aristoteles betrachten und besprechen (Metaphysik I-VI), Freiburg-München 2018

Ort:           VINOE – Die Niederösterreich Vinothek, Piaristengasse 35, 1080 Wien

Zeit:  Montag, 10. Dezember 2018, 20 Uhr  


Eine Aristoteles-Lektüre, die der Textmasse, die wohl im 4. Jahrhundert entstanden ist aber erst im 1. ihre Form bekommen hat, nachgeht - und zwar in all ihren Anläufen, Abbiegungen, Wiederholungen, Widersprüchlichkeiten. 

Es zeigt sich, daß der nachträglich eingesetzte Titel "Metaphysik" zwar einem Aspekt der Schrift entspricht, aber der größte Teil des Textes würde sich eher unter den  Begriff "Ontologie" fassen lassen. Denn es geht um durchgängige Seinsmodalitäten eher formaler Art, welche die Realität bestimmen - etwa Wesen, Relation, Qualität, Entstehen, Vergehen, Potenz, Akt .... Hingegen bilden Realitätsbereiche wie Natur, Kultur ... eine andere Dimension, die Aristoteles in anderen Schriften thematisiert hat. Nur wenn man diese Dimensionen auseinanderhält, kann man beurteilen, wie das aristotelische Denken heute einzuschätzen ist, wo seine für uns fremden Perspektiven  interessant sein könnten. 


28.  November 2018 19:00
Studio Eckermann Nestler
1030, Neulinggasse 9
Doppel-Buchpräsentation & “Living Currency to come”

Im Zentrum der Präsentation von Horst Ebner, Ivo Gurschler und Walter Seitter steht der Versuch die fast schon kryptischen Gedankengänge von Pierre Klossowski besser zugänglich zu machen bzw. einem weiteren Publikum zu eröffnen.
"LIVING CURRENCY to come”. Eine Vorahmung. Mit Andreas L. Hofbauer und Lucie Strecker.


Wörter, Bilder, Körper – Zu Pierre Klossowskis Lebendes Geld
Hg. von Horst Ebner, Ivo Gurschler und Walter Seitter
VERLAG TURIA + KANT WIEN–BERLIN

Dieser Materialienband macht sich an die Enträtselung von La Monnaie vivante / Lebendes Geld aus dem Jahr 1970. Er enthält thematisch verwandte Texte von Klossowski, ein Gespräch mit ihm sowie ein kleines »Wörterbuch« zuLebendes Geld und drei werkgeschichtliche Essays der Herausgeber. Lassen sich Bedingungen denken, unter denen es ›legitim‹ wäre, lebende Wesen als bloße Objekte zu besitzen? Menschen als Zahlungsmittel, als neuer Goldstandard? Könnten solche Bedingungen innerhalb der sozialen Tauschbeziehungen einen alternativen Raum gegenüber der heute de facto stattfindenden monetären Prostituierung eröffnen?

Pierre Klossowski: Lebendes Geld  (Adaptierte Neuübersetzung)
Hg. von Horst Ebner, Ivo Gurschler und Walter Seitter
VERLAG TURIA + KANT WIEN–BERLIN
»La Monnaie Vivante« erschien bei Éric Losfeld éditeur (© Terrain Vague), Paris 1970.

 

Lebendes Geld schrieb der Übersetzer, Philosoph und Maler Pierre Klossowski in den Turbulenzen der Kapitalismus-Kritik um 1968. Der Text verbindet Analysen zur libidinösen Struktur der europäischen Wirtschaft, Erotik und Ikonik, um nach Möglichkeit einen utopischen, jedenfalls einen anderen als kapitalistischen Weg andeuten zu können. Michel Foucault sah in dem Text ein »anthropologisches Dreieck« aus Begehren, Wert und Simulakrum aufgestellt und sprach vom »größten Buch unserer Epoche«. Heute gilt es, das in seiner entschiedenen Heterogenität subversive Buch aus dem Abstand von nahezu fünfzig Jahren neu zu lesen und zu gebrauchen.

23. November 2018

Buchpräsentation

Von Wegen
Bahnungen der Moderne

Buchhandlung Walther König im Museumsquartier

Und die Bleibende Steinzeit wirft auf die Gegenwart  einen anderen Blick: wie nämlich die Anfänge der Menschheitsgeschichte  gerade deswegen noch  aktuell sein dürften, weil sensationelle Neuerungen wie  Anthropozän, Plastik, Dunkle Materie  nicht genau das halten, was man sich von ihnen verspricht. 


Vortrag

Topik, Physik, Dramatik des Menschenkörpers. Bei Helmuth Plessner

Aula im Campus
1090 Wien

7. Oktober 2017

12 Uhr

Helmuth Plessner hat seine Anthropologie in der Nähe der Naturwissenschaften und im Zuge einer eben damit entworfenen Naturphilosophie ausgearbeitet. Folglich meint er mit „Körper“ nicht von vornherein den menschlichen, sondern bestimmt dessen Eigentümlichkeit in Absetzung von den andersartigen. Dabei setzt er solche Kategorien ein wie die des Erscheinungsraumes, des Grenzregimes, der Positionalität, der Exzentrizität, der Lebensführung


Radiosendung

20. September 2017

Herbert Hrachovec und Walter Seitter

Zögern in der Kaiserstadt: Grillparzer

Der Dichter Franz Grillparzer (1791-1872) hat trotz seiner Distanz gegenüber dem akademischen Betrieb einen bestimmten Einfluß auf die schwierige Geburt der Philosophie in Wien genommen. Im Gespräch wird auch erörtert, wie Grillparzer in seinem Drama "Libussa" das Problem der politischen Ordnung zwischen Archaik und Moderne auf die Bühne stellt.

https:audiothek.philo.at/


Vortrag

Gehen in der Stadt

Künstlerhaus 1050

8. Juni 2017

19 Uhr

Ein Verhaltenskomplex, der eine bestimmte menschliche Tätigkeit in eine bestimmte Umgebung einbettet. Die Umgebung, das ist die Stadt, wie sie sich seit dem 19. Jahrhundert ausbildet: die entmilitarisierte aber vom maschinell getriebenen Verkehr durchströmte. Da sich in der Stadt die Häuser - und viele Typen von Institutionen - auf engem Raum häufen, blldet sie nach wie vor den Raum, in dem das Gehen eine wichtige Fortbewegungsweise bildet. Darüberhinaus akzentuiere ich das Gehen in der Stadt als einen Modus ektropischer Existenzbehauptung.


Volkskundemuseum Wien
Laudongasse 15-19

Überreichung des Buches "Sehen und Sagen. Für Walter Seitter" (Hg. Ivo Gurschler, Sophia Panteliadou und Christopher Schlembach) durch den Verleger Dieter Bandhauer. Laudatio August Ruhs.

Sehen und Sagen

Mittwoch, 14. Dezember 2016
19 Uhr


Philosophisches Kolloquium
Botschafter Gerhard Weinberger

Glücklich sein - heute
2. und 3. Dezember 2016

Académie tunésienne des sciences, des lettres, des arts
Carthage, 25 avenue de la République

Vortrag

Freitag, 2. Dezember 2016
12 Uhr

Eine bescheidene Konzeption von Glück

Etwas zu tun haben - von dieser minimalen Position aus entfalte ich eine Konzeption von Glück. Sie setzt allerdings doch einiges voraus, was der österreichische Arzt Ernst von Feuchtersleben (1806-1849) als "etwas wollen können" definiert hat und was ich mit zwei Zitaten nach der negativen und nach der positiven Seite hin profiliere. Einerseits „After you get what you want you don’t want it.“ (Marilyn Monroe) und andererseits: „Heureux celui-ci qui ose conserver ce qu’il aime.“ (Ovid)


Foucault revisited
4. und 5. November 2016

Vortrag

Bevölkerung, Völker, Leute

Universität Wien
NIG, Universitätsstr. 7

Freitag, 4. November 2016,
12 Uhr

Michel Foucault hat zu seiner Machtanalytik auch auf Autoren des 17. Jahrhunderts zurückgegriffen, die in den Wirren zwischen den Religionskriegen und der Durchsetzung des Absolutismus die Konstituierung europäischer Politiken einerseits aus den Völkerwanderungen in der Spätantike und andererseits aus dem modernen Kolonialismus der frühen Neuzeit mitgeprägt haben: Francois Hotman, Alexandre le Maitre, Johann Joachim Becher, Henri de Boulainvilliers.


Internationales Grillparzer-Symposion 2016
20. und 21. Oktober 2016

Vortrag

Grillparzers philosophischer Hintergrund, Grillparzers Ästhetik und Grillparzer als Philosophie-Katalysator

Grillparzer-Haus
Wien 1, Johannesgasse 6

Donnerstag, 20. Oktober 2016,
9.30 Uhr

Der österreichische Dichter Franz Grillparzer (1791-1872) hat in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts am noch schwach entwickelten philosophischen Leben in Wien mit einiger Entschiedenheit teilgenommen. Auf dem Gebiet der Ästhetik entwickelte er eine eigenständige Position, was es ihm ermöglicht hat, das erstmalige Hervortreten der Philosophie in Österreich nach der Revolution von 1848 anzuregen und zu fördern.


Aristoteles Welt Kongreß

23. Mai- 28. Mai 2016

Thessaloniki
Aristoteles Universität
Aula 2

Donnerstag, 26. Mai 2016
13.30 Uhr

Vortrag

Accidentalism in Aristotle. Poetics and Ontology

In der Poetik hat Aristoteles die "Handlung" der Tragödie von der Agens-Kausalität auf die Ereignis-Kausalität umgestellt: die göttlichen Akteure werden ausgeschaltet, die menschlichen Akteure werden zurückgedrängt: die Ereignisse sollen mit einer gewissen Notwendigkeit auseinander folgen. Sie werden "pragmata" genannt und sind in die Reihe der Akzidenzien oder Superakzidenzien (wie Weg ins Wesen, Privation, Erzeugung, Zerstörung ... siehe Met. 1003b 7f.) einzustellen. Auf der anderen Seite wird dann die Tragödie als Artefakt mit einem Tier verglichen - also dem Protagonisten des Begriffs "Substanz". Inzwischen zeigt auch die Lektüre der Metaphysik, daß die aristotelische Ontologie verkürzt würde, wenn man sie wie bisher üblich auf die Lehre von der Substanz reduziert. In Thessaloniki konnte ich mehrere Leute auf die Aristoteles-Darstellung in der Stadt hinweisen, die einen populären Typen zeigt, der sich bei näherem Zusehen als Verwundeter Mann herausstellt.


Kolloquium "Henker und Opfer"

Walter Seitter

Vortrag:

Weggehen, dableiben, wandern, wohnen

Thessaloniki

Französisches Kulturinstitut

Freitag, 19. Februar 2016, 20 Uhr

Der Begriff des Politischen, der die "Entscheidung über das Schicksal der Leute" meint, wird um die physische Dimension des Bezugs zur Erde, zu den Orten auf der Erdoberfläche, verstärkt und diesem Bezug gehe ich autobiographisch nach: vom Zweiten Weltkrieg bis zur gegenwärtigen Großen Wanderung, die mich tychanalytisch zwischen einige meiner Freunde stellt: E., A., F. .


Buchpräsentation

Claude Duprat

Ο Κλοσσοφσκι με τον Λακαν (Θεσσαλονικη 2016)

(Klossowski mit Lacan)

Thessaloniki

Französisches Kulturinstitut

Donnerstag, 18. Februar 2016, 20 Uhr

Der französische Psychoanalytiker Claude Duprat wurde von mir zu diesem Buch über Pierre Klossowski und Jacques Lacan angeregt, die beiden Pariser Geistesmenschen, die je auf ihre Weise neue Denkwege suchten und fanden: Wege zum Wissen, was man will, zur Ortung des Wünschens, zur Topisierung der Utopie ...


Buchpräsentation

Walter Seitter

Δομηνικος Θεοτοκοπουλος. Ο Ελληνας στα ξενα (Θεσσαλονικη 2015)

(El Greco - Der Grieche in der Fremde)

Thessaloniki

Café Container

Mittwoch, 17. Februar 2016, 20 Uhr

Mit Giorgos Giannopoulos (Verleger), Omiros Tachmazidis (Übersetzer), Antonis Kotidis (Kunsthistoriker). Mein Text stellt den aus dem "byzantinischen" Kreta gekommenen und im gegenreformatorischen Spanien wirkenden Maler in die heidnische Antike zurück und konstelliert ihn andererseits mit der globalen Erschütterung des Herbstes 2001. In der Diskussion wurde mein Blick auf den Maler als ein spezifisch österreichischer, aktionistischer, herausgestellt.


Bundesminsterium für Europa, Integration und Äußers
DIALOG ÜBER LIEBE, TOD UND TRAUER

Mittwoch, 2. Dezember 2015
14 Uhr

Österreichische Gesellschaft für Literatur
Herrengasse 5

Walter Seitter

Von der Nähe zwischen Poesie und Religion

Anhand des Gedichtes "Stirb nicht wie sie" von Shumisa Al Numani (Sultanat Oman) wird die bei Franz Grillparzer ("Religion ist die Poesie der Poesielosen") angedeutetete These skizziert, wonach die Religionen gut daran tun würden, wenn sie nicht verdrängten, daß ihre Heilige Schriften Dichtungen sind: Schriften, in denen Mehr-Sehen gesagt ist, welches die Menschen erhebt und keinen erniedrigt. Die einzige mir bekannte Religion, die das nicht verdrängt hat, ist die griechische gewesen.


Lesung

Grillparzer über Hegel, Heidegger, Hitler

14. Oktober 2015
19 Uhr
Österreichische Gesellschaft für Literatur
Herrengasse 5
1010 Wien

10. November 2015
19.30 Uhr
VINOE Weinhandlung
Piaristengasse 35
1080 Wien

Franz Grillparzers theoretischer nämlich hegelkritischer Impuls ist von Friedrich Nietzsche in der Unzeitgmäßen Betrachtung "Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben" (1874) entdeckt und gewürdigt worden. Dem füge ich hinzu, daß sich Grillparzer mit seiner Aristoteles- und Kant-Lektüre auch in die Ontologie eingearbeitet und da für das "Seiende" und gegen das "Sein" plädiert hat. Damit trifft er - hundert Jahre später - auf eine konträre Option von Martin Heidegger, die allerdings politiisch aufgeladen wird: mit religiösem Enthusiamus für das "Seyn" und mit Verachtung gegen die bloßen Seienden. Literatur: Walter Seitter: Unzeitgemäße Aufklärung. Franz Grillparzers Philosophie (Wien 1992); ders.: Grillparzer, Ontologie, Heidegger, in: Tumult Zeitschrift für Konsensstörung (Winter 2015); Wolfgang Koch: Walter Seitter liest Hegel, Heidegger, Hitler mit Grillparzer, in
http://blogs.taz.de/wienblog/2015/11/09/walter-seitter-liest-hegel-heidegger-hitler-mit-grillparzer/


Vortrag

Menschenformen
Unterschiedliche Menschenunterscheidungen (Foucault, Weininger)

18. Juni 2015
18.45 - 19.45

Depot
Breitegasse 3
1070 Wien

Michel Foucault (1926-1984) hat sich in vielen Schriften und Vorlesungen mit der Diskriminierung von Menschen in Europa beschäftigt und hat dafür zwei Kategorien geprägt: die "Infamen" (die von der Souveränität als ihr Gegenteil angesehen worden sind) und die "Anormalen" (die von der Biomacht disqualifiziert sind). Otto Weininger (1880-1903) war einer der ersten österreichischen Philosophen überhaupt und hat in seiner Doktorarbeit den Frauen (und dann auch den Juden) die eigentliche Bestimmung des Menschen abgesprochen: den Willen zum Wert und die Möglichkeit der Genialität.


Mon chemin dans la phllosophie

Freitag, 28. November 2014, 11 Uhr

Kairouan

Faculté des Lettres et des Sciences Humaines

Bericht von meiner "philosophischen Erfindung": der Philosophischen Physik, die mit Augenschein und Umgangssprache arbeitet (Beispiel die "Definition" der Straße als einer Mauer, die gerade nicht als Barriere dienen soll). Gleich darauf sehe ich im Hörsaal ein Plakat, das an Michel Foucaults Tätigkeit in Tunesien erinnert, woraufhin ich erkläre, daß ich zu meiner Methode auch von ihm inspiriert worden bin.


Engagement dans la philosophie

Donnerstag, 27. November 2014, 16 Uhr

Tunis

Hotel Tunisia Palace
Avenue de la France

Bericht von meinen beiden "geophilosophischen" Engagments in der Philosophie: Einsatz für die Rezeption neuerer französischer Philosophie im deutschsprachigen Raum, hauptsächlich durch Übersetzung von Michel Foucault (seit vierzig Jahren) und Herstellung von Kontakten mit dem philosophischen Leben in Griechenland, auch durch Publizieren in neugriechischer Sprache (seit zehn Jahren).


Philosophes en Autriche: une histoire récente

MIttwoch, 26. November 2014, 10.30 Uhr

Tunis

Faculté des Lettres (La Manouba)

Philosophieren als Haupttätigkeit kommt in Österreich erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts vor und diese späte und mühsame Emergenz bringt zunächst durchaus ungewöhnliche Versionen von Philosophie hervor - skandiert vom Selbstmord eines Philosophen (Otto Weininger), von der Ermordung eines Philosophieprofessors in der Universität (Moritz Schlick). Mein Vortrag konzentriert sich auf Otto Neurath, bei dem die selbstgewählte Richtungsbezeichnung "Positivismus" in mehreren Bedeutungen zutrifft.


Präsentierung von Poetik lesen 1 und 2 (Berlin 2010, 2014)

Montag, 23. Juni 2014, 19:30 Uhr
Charim Galerie, Dorotheergasse 12, 1010 Wien

Die Wiener Hermes-Gruppe hat vom Jänner 2007 bis zum Dezember 2010 die aristotelische Poetik gelesen und besprochen; wir haben die Besprechungen protokolliert, dann publiziert. Die Langwierigkeit dieser Lektüre stellt vielleicht einen kleinen Rekord dar.

Die Poetik als Lehre von der Dichtkunst gehört zu den "poietischen Wissenschaften", in denen es um die Herstellung erwünschter Realitäten (Sieg, Gesundheit, nützliche Dinge, schöne Werke) geht. Aristoteles läßt aber auch andere Wissensformen einfließen: Geschichtsschreibung, "Physik": was ist die Natur der Dichtung bzw. der Tragödie, was sind ihre Ursachen, ihre Arten, ihre Materialien, ihre Zweckbestimmung?

Aristoteles betrachtete das ihm vorausliegende 5. Jahrhundert als "klassische" Epoche. Dennoch scheint er den Trend seiner Zeit, nämlich das Theater zu einer reinen Textangelegenheit zu machen, also zu "Literatur" im heutigen Sinn, vorangetrieben zu haben. Unsere Lektüre hat in den literaturanalytischen Ausführungen des Aristoteles auch Wendungen zur "Ontologie" festgestellt. Die Wirksamkeit seiner Schrift hält an.


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"Eine Philosophie der Erscheinungen in Aristoteles' Heimat"
Präsentation der griechischen Übersetzung der Physik des Daseins. Bausteine zu einer Philosophie der Erscheinungen (Wien 1997)

Η φυσικη της υπαρξης. Λιθαρκια σε μια φιλοσοφια των εμφανισεων (Θεσσαλονικη 2014)

Thessaloniki Internationale Buchmesse

Samstag, 10. Mai 2014, 13 Uhr

Thessaloniki, POETA, Odos Ioustinianou

Montag, 12. Mai 2014, 20 Uhr

Mit Giorgos Giannopoulos (Verleger), Omiros Tachmazidis (Übersetzer), Sokratis Delivouitzis (Philosoph), Christos Sidiropoulos (Psychoanalytker), Grigoris Zarotiadis (Ökonom). Die Rede von Christos Sidiropoulos wies auf die "Autoritäten" hin, die mein Buch inspiriert haben: der Schnee, die Mauer, die Mode, Paul Cézanne. Sie gipfelte in dem Satz: Dieses Buch ruft, wenn man es liest, ein Erdbeben hervor.


Buchpräsentation
François Jullien:

China und die Psychoanalyse
Fünf Konzepte

Französisches Kulturinstitut
Währingerstraße
1090 Wien

Freitag, 15. November 2013, 19 Uhr

Mit August Ruhs, Walter Seitter, Peter Widmer

Auch dieses Buch gehört in die Philosophie-Strategie Julliens: Distanz-Gewinnung und Aufmerksamkeits-Steigerung in bezug auf die abendländische Kultur über den großen Umweg des alt-chinesischen Denkens. Hier mit Reformulierungs-Vorschlägen für die operativen Empfehlungen für die psychoanalytische Kur (und keineswegs für die gesamte psychoanalytische Theorie). Jullien auf meine Frage, ob er sich eher als Sinologe verstehe oder als Philosoph: Ich bin Grieche, ich bin kein Konvertit.


Wild Thing
Unordentliche Prozesse in Design und Wissenschaft

Tagung am 25. und 26. Oktober 2013

Berliner Technische Kunsthochschule
Bernburgerstr. 24-25
Berlin

Walter Seitter:

Physik des Daseins
Von gewöhnlichen Dingen

Korrespondentin: Yana Milev

25. Oktober 2013, 18 Uhr

Die gewöhnlichen Dinge, die still herumzuliegen pflegen, können durchaus dramatisiert werden: in der antiken oder modernen Mikrophysik, in Fetisch-Bildung und Fetisch-Kritik, in Politisierungen wie bei Kästner oder Latour, in Poetisierungen wie bei Ponge oder in einer Philosophischen Physik, die hier dem Ding "Buch" seine Atome und Moleküle zuspricht.


Philosophische Anthropologie und Rassismus

Tagung am 12. und 13. Oktober 2013

Ludwig-Maximilians-Universität München
Professor-Huber-Platz 2

Walter Seitter:

Somatismus in philosophischen Anthropologien
(Voegelin, Plessner: 1922-1934)

13. Oktober 2013, 12 Uhr

Die Klassiker der Philosophischen Anthropologie (Scheler, Plessner, Gehlen) haben die Leistung erbracht, die Anthropologie somatozentrisch zu konstruieren - und dabei die naheliegenden und dominanten Strömungen "Rassenlehre" und "Rassismus" fast vollständig zu umgehen. Der Wiener Staatsrechtler Erich Voegelin hat sich mit den Positionen von Scheler und Plessner auseinandergesetzt - und trifft sich mit ihnen in einem überraschenden "Anti-Spiritismus".


Carl Schmitt und die Literatur seiner Zeit


Deutsches Literaturarchiv auf der Schillerhöhe über Marbach


Helmuth Lethen: Carl Schmitts Tagebücher als Quelle der Werkdeutung
Donnerstag, 4. Juli 2013, 15 Uhr
Lethen zieht Passagen aus den Menschenfassungen (wie am 13. März zur Deutung seiner Autobiographie) auch zur Deutung der frühen Tagebücher Schmitts heran. Ich weise darauf hin, daß Schmitt mir im April 1981 nach der Lektüre des Buches geschrieben hat. So auch den Satz: "Lacan kenne ich leider noch nicht." Diesen Satz betrachte ich als meinen Beitrag zur deutschsprachigen Lacan-Rezeption.


Francis Ponge und die Poesie der Dinge


Literaturhaus Stuttgart, Mittwoch, 3. Juli 2013, 20 Uhr.


Vorstellung des Buches Francis Ponge: Der Tisch
Francis Ponge hat der Dichtkunst zwei Stöße versetzt, um sie zu transformieren. Nichts vom Tiefsinn eines René Char, nichts vom Immerschönen eines Rainer Maria Rilke. Hin zur kosmogonischen Erkenntnis der Dinge, ihrer Bemühungen zu sein ("sein" kleingeschrieben!). Hin zu Rhetoriken für jedermann: Beschäftigungen, die vom Selbstmord oder von der "Arbeitslosigkeit" abhalten können.


Le geste entre émergence et apparence


Aix-en-Provence; Freitag, 22. März 2013, 11 Uhr


Die beiden Hände - ein Medium?
Die Hand ist nicht nur der Abschluß des Armes. Aufgrund ihrer eigenen immanenten Beweglichkeit - Öffnung, Schließung, Fingerfertigkeit (Digitalität) - hat sie eigenen Dingcharakter, weil sie wie ein Tier ist (Vogel, Schmetterling). Jede Hand manövriert in der Außenwelt wie ein Ding unter Dingen, greift die Dinge an, läßt sie los. Die Hand ist das Ding, das den Menschen zum Dingtier macht. Eine weitere Definition des Menschen nach "Tier mit Sprache", "Tier mit Gottheiten": "Tier mit Dingen".


Vortrag Walter Seitter

Die mathematisch-poetische Renaissance in Österreich (Johannes von Gmunden, Georg von Peuerbach, Regiomontanus, Konrad Celtis))

Samstag, 11. Mai 2013, 16 Uhr

Universität Olmütz
Philosophische Fakultät
Krizkovskeho Straße 10

Die Wiener Universität war im 15. und frühen 16. Jahrhundert führend in den "mathematischen Wissenschaften", wozu auch Astronomie, Geographie und Kartographie zählten. Außerdem verband man diese Wissenschaften mit den "humanistischen" Disziplinen Rhetorik und Poetik. Frage, ob daraus so etwas wie "Philosophie" hervorgegangen ist.


Peter Kubelka und Walter Seitter

Präsentation des Buches

UNTERSBERG . GESCHICHTEN - GRENZGÄNGE - GANGSTEIGE

von Bodo Hell, Peter Kubelka, Walter Seitter, Elsbeth Wallnöfer

 

Mittwoch, 15. Mai 2013, 19 Uhr 30

Pfarrzentrum St. Zeno

Salzburger Str. 29a

Bad Reichenhall

Peter Kubelka und Walter Seitter führen einige der zahlreichen Orte vor, die bis heute den Untersberg und seine ganze Gegend bilden. Anhand von Fotografien sowie von historischen Berichten, die auch auf St. Zeno eingehen, wo um 1800 die Politikgeschichte und die Sagengeschichte direkt ineinandergreifen: anläßlich der Säkularisierung des Stifts taucht die Sage als "Aberglauben" auf, der endlich abgeschafft werden könne. In der Folge kommt es zu einer radikalen Transformierung der "Kaisersage" (die wiederum politische Folgen hat). Zuletzt auch eine Definition von "Berg": aufgestellte Unterwelt.


Buchpräsentation

WALTER SEITTER

MENSCHENFASSUNGEN. STUDIEN ZUR ERKENNTNISPOLITIKWISSENSCHAFT
Mit einem Vorwort des Autors zur Neuausgabe des Autors 2012 und einem Essay von Friedrich Balke: Tychonta, Zustöße.
Walter Seitters surrealistische Entgründung der Politik und ihrer Wissenschaft (Velbrück Wissenschaft, Weilerswist 2012)

13. März 2013, 19 Uhr
Akademie der bildenden Künste
Schillerplatz 3
1010 Wien

Mit Friedrich Balke, Helmut Lethen, Elisabeth von Samsonow

"Eine Leistung des Buches liegt darin, daß es zur philosophischen Begründung von Politikwissenschaft nicht die "Klassiker" Platon oder Aristoteles heranzieht, sondern daß es ganz woanders einsetzt: bei der mittelalterlichen Heraldik, die uns zeitlich näher, ethnografisch aber vielleicht noch ferner liegt." (Friedrich Balke)


Auszeichnung mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse

am Donnestag, dem 24. Jänner 2013,
um 15 Uhr

im Ministerium für Wissenschaft und Forschung

Minoritenplatz 5

1014 Wien

Bundesminister Dr. Karlheinz Töchterle hielt eine Platon-Rede, in der er sehr indirekt auch auf meine Verdienste anspielte. Im Café Landtmann trug Dr. Horst Ebner seinen eingehenden Bericht vor - wie folgt.

 

Laudatio Walter Seitter, Wien, 24. 1. 2013

Lieber Walter, werte Familie, liebe Freunde und Kollegen,

die Republik Österreich hat heute das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse einem österreichischen Philosophen verliehen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Wie auch der Umstand, dass der Wissenschaftsminister, der diese Ehrung vornahm, seiner Profession nach ein Geisteswissenschaftler, nämlich Altphilologe, ist. Diese Auszeichnung an den Philosophen Walter Seitter ist deshalb keine Selbstverständlichkeit, weil Österreich stets ein problematisches Verhältnis zu seinen Intellektuellen, Philosophen wie Wissenschaftler, hatte. Dagegen steht, das wird gerade an Wien sichtbar, die traditionell hohe Wertschätzung der Künstler, und das meint hier vornehmlich die Schauspieler, Sänger und Dirigenten.

Der Grund für diese Verschiebung vom Denken hin zur Kunst liegt wohl in einem jahrhundertelangen fatalen Zusammenwirken von Kirche und Staat, die zuständig waren für die Schul- und Universitätsbildung. Trotz so mancher wichtiger Reformen auf diesen Gebieten unter Maria Theresia und Joseph II., die zur erfolgreichen Etablierung einzelner, mehr praktischer Disziplinen wie der Medizin und der Technik führten, konnten sich in Österreich bis 1900 weder eine eigenständige, von den Ideen der Aufklärung getragene Philosophie noch moderne Wissenschaften (anders als etwa in Frankreich, England oder Deutschland) entwickeln. Und so ist es denn kein Zufall, dass die ersten maßgeblichen Denker hierzulande aus eben jenen nichtphilosophischen Milieus kamen: der Arzt Sigmund Freud und der Ingenieur Ludwig Wittgenstein. Bedingt durch die folgenden politischen Katastrophen in der ersten Hälfte des 20. Jh. sollte ihre epochale Bedeutung jedoch erst oder besser: wieder einmal verspätet an österreichischen und deutschen Universitäten wirksam werden.

Ihrer beider Spuren, aus der Nähe wie aus der Ferne, wird auch Walter Seitter aufnehmen, der in den frühen 1960er Jahren in Salzburg und München Philosophie, Politikwissenschaften und Kunstgeschichte u.a. bei Eric Voegelin und Hans Sedlmayr studierte. Ein möglicher Umweg zu jenen späten österreichischen Philosophieanfängen, den er damals wie so manche seiner intellektuellen Zeitgenossen nehmen musste, hieß Paris. Dort hörte Walter Seitter in der noch erhitzten Atmosphäre der Jahre 1969/70 Vorlesungen des Psychoanalytikers Jacques Lacan und des Historikers Michel Foucault, die zu den herausragenden und einflussreichsten Denkern unserer Gegenwart zählen. Ihr radikales, subversives Agieren auf den Feldern des Wissens bildete den Ausgangspunkt für Walter Seitters eigenständiges Philosophieren, was sich in ersten Publikationen zu diesen beiden Leitfiguren des Pariser Geisteslebens niederschlug. Da Philosophie, also das Streben nach Weisheit, immer auch mit etwas Handwerklichem, der Arbeit mit Sprache, mit Begriffen zu tun hat, stehen nicht von ungefähr die präzise modellierten Übersetzungen und Kommentierungen von Schriften Foucaults am Beginn seiner wissenschaftlicher Tätigkeit. Erschienen in so renommierten deutschen Verlagen wie Hanser oder Suhrkamp, sollten sie eine wichtige Grundlage für kommende Theoriedebatten im deutschsprachigen Raum schaffen und auch ihren Übersetzer bekannt machen.

Walter Seitters Karriere als Philosoph und Autor zeichnet sich in diesen mehr als vierzig Jahren durch eine thematische wie formale Vielfalt aus, die in der Kürze hier nur grob umrissen werden kann. In seinem ersten großen Buch, den „Menschenfassungen“ von 1985, das aus der Habilitationsschrift an der Technischen Hochschule Aachen hervorgegangen war, beschrieb er die Ablöse mittelalterlicher Heraldik als körperpolitisches Zeichensystem durch eine neue, ganz anders geartete Körperpolitik im neuzeitlichen Europa: nämlich den institutionellen Zugriff auf den Menschen als Individuum (man denke hier an die allgemeine Schulpflicht unter Maria Theresia, aber auch an andere wohlfahrtsstaatliche Einrichtungen, die im 18. Jh. systematisch installiert wurden). Diese erkenntnispolitische Schrift, die erst letztes Jahr eine Neuauflage erfuhr, bildet denn auch eine Art Vorgeschichte zu jenem fast zeitgleich erschienenen Buch „Aufschreibesysteme“ des Kultur- und Medienwissenschaftlers Friedrich Kittler, das zeitlich an den von Walter Seitter problematisierten Modernisierungsprozess anschließt und dabei die Ausdifferenzierung des Mediums Schrift zu einer veränderten, weiterreichenden Erfassung von Wissen behandelt. Unabhängig ihrer Disziplinenzugehörigkeit innerhalb der Geisteswissenschaften, waren beide innovativen Untersuchungen ihrem Selbstverständnis nach auch als philosophische Schriften zu lesen, was im jeweiligen Habilitationsverfahren ihrer „unreinen“ akademischen Konzeption wegen zu einigem institutionellen Widerstand führte. Der Kontext zu Kittler erscheint daher nicht nur thematisch von Belang, sondern unterstreicht nachdrücklich die universitäre Situation jener Jahre, die eine die tradierten Denkweisen unterlaufende Haltung, wie sie Walter Seitter eigen ist, herausforderte. Mit Kittler verbindet ihn (der dem Berliner Medienwissenschaftler aktuell als Herausgeber einen eigenen Band der Zeitschrift „Tumult“ widmete) übrigens auch eine späte intellektuelle Hinwendung zum antiken Griechenland. Eine auf den ersten Blick nur scheinbar überraschend unternommene Ausrichtung der beiden, die einer ihrer Lehrmeister, Michel Foucault, ebenfalls spät vollzog. So schließt sich hier auch ein geistesverwandter Kreis.

Die damals angestellten Überlegungen zu einer anderen Wissenschaft vom Menschen mögen für die heutige Universitätsphilosophie keine Irritation mehr darstellen. Es bleibt jedoch für die vermeintlich emanzipierten Geisteswissenschaften in Österreich bezeichnend, dass ein entschieden eigenständiges, vielseitig ausgerichtetes, sich immer nahe an den Sachen selbst bewegendes Philosophieren, wie es Walter Seitter betreibt, sich eben nicht an einer philosophischen Fakultät, sondern an einer Kunsthochschule ereignete. Die Themen seiner Lehrveranstaltungen mögen auf den ersten Blick vielleicht etwas abseitig erscheinen für den Ort einer Kunstakademie und damals wohl so manchen unbedarften Kunststudenten verstört haben, führten sie etwa, wie die Zyklen „Das politische Wissen im Nibelungenlied“ oder die „Distanten Siegfried-Paraphrasen: Jesus, Helmbrecht, Dietrich“, in die sehr ferne Welt mittelhochdeutscher Heldenepik. Die instruktiven Analysen, die hier zur Geo- und Körperpolitik in diesen Texten angestellt wurden, vermochten jedoch stets überraschende, erhellende Einsichten auch in unsere Gegenwart zu liefern. Dass schließlich ganze Vorlesungszyklen als Bücher in einem der wichtigsten Theorieverlage Deutschlands, bei Merve in Berlin, erschienen, adelte Walter Seitters Lehrtätigkeit an der Angewandten in besonderer Weise, allerdings mehr nach außen als innerhalb der Institution.

Das lässt mich noch einmal auf den Autor Walter Seitter und die beeindruckende Themenvielfalt in seiner Arbeit zurückkommen. Das Spektrum reicht dabei von einer sich fortschreibenden philosophischen Anthropologie bis hin zu einer propagierten Physik der Philosophie, worin auch die zahlreichen Essays, Artikel, Vorträge und Herausgeberschaften zu Philosophen (wie Aristoteles und Lacan), Künstlern (wie El Greco und Helmut Newton) und Dichtern (wie Franz Grillparzer und Francis Ponge) eingebettet sind, denen allen zumindest eines gemeinsam ist: ein eigensinniges, beharrliches, darum oft dissidentes Agieren auf ihren jeweiligen Feldern, das sie mit dem Autor Walter Seitter teilen.

Zu den methodisch kennzeichnendsten Beispielen seines Denkens und Schreibens zählt jenes kunstvoll gebaute Diptychon, die Bücher „Geschichte der Nacht“ und „Kunst der Wacht“, verfasst in der Zeit um die Jahrtausendwende, wo auf beschreibender wie erzählender Ebene das zyklische Ineinander-Übergehen von Nacht, Schlaf, Träumen, Wachen als existenzielle Grunderfahrung eines Tuns im Sinne einer Lebenskunst gezeigt wird. Parallel dazu arbeitete Walter Seitter in diesen Jahren weiter an einer Philosophie der Erscheinungen, die in dem Sammelband „Physik der Daseins“ und der systematisch angelegten Schrift „Physik der Medien“ mit ihrem umfassend erweiterten Medienbegriff (also auch Tisch, Elektrizität oder Straße) dargelegt wird. Beschreibung der Dinge, Beschreibung der Erscheinungsweisen wird von ihm als grundlegende Erkenntnishaltung verstanden, also „zu sagen, was man sieht“, wie eine seitterisch prägnante Formel lautet. Ein von ihm sehr geschätzter Zeitgenosse und Landsmann, Peter Handke, hat diese puristische Beschreibungspraxis auf literarischem Gebiet kunstvoll und in deutscher Sprache singulär vorangetrieben.

Aus der Fülle von Walter Seitters Publikationen allein des letzten Jahrzehnts seien nur noch die aktuellsten Themen zu nennen und sie streifen, wie selbstverständlich, durch zweieinhalbtausend Jahre europäischer Kultur. Da sind einmal die auf einem Arbeitskreis basierenden wöchentlichen Notate zur Poetikschrift des Aristoteles sowie ein Essayband zur verspäteten Romanik (erschienen jeweils in seinen verdienstvollen Hausverlagen Merve und Sonderzahl). Dazu ein gemeinsam mit Leuten aus Kunst und Wissenschaft gestaltetes Buch zum Mythos des Salzburger Untersberg. Und zuletzt das im Erscheinen befindliche Projekt zu einer für Walter Seitter zentralen Figur einer „unreinen“ Denk- und Kunstpraxis: dem französischen Schriftsteller, Philosophen und Maler Pierre Klossowski. Seit Jahrzehnten begleitet er emphatisch in Vorträgen, Essays und Übersetzungen das Werk diesen Künstlerphilosophen, das in seiner heterogenen, oft hermetischen Erscheinung Kollegenschaft wie Publikum noch immer zu verstören vermag. Das lange geplante Wörter- und Materialienbuch zu dessen hochaktueller, doch kryptischer Ökonomieschrift „Das lebende Geld“ soll noch im Herbst dieses Jahres erscheinen.

Die Universität als ein Ort, an dem nichts außer Frage steht, könnte eine mögliche Forderung von Walter Seitter sein. In den mehr als zwanzig Jahren am Institut für Kommunikationstheorie der Angewandten hat er neben der Lehre mit verschiedensten Initiativen versucht, die eingeübten Wissensformen aufzubrechen. Als Mitbegründer des informellen Kreises „Neue Wiener Gruppe“ (Lacan-Schule) hielt er am Institut in der Postgasse seine monatlichen Montagabende unter dem programmatischen Titel „Ästhetik und Politik“ ab, die zum anregenden Treffpunkt profilierter in- und ausländischer Wissenschaftler wie auch einer breit gestreuten Interessengemeinschaft wurden. Außerdem führte Walter Seitter in all den Jahren, als eine Art Schule des Sehens, instruktive „Stadtwanderungen“ an architektonisch oder kunstgeschichtlich außergewöhnliche Orte Wiens. Die Tätigkeit an einer Kunsthochschule eröffnete ihm aber auch Kollaborationen mit Künstlern, wodurch er seine Theoriearbeit in wissenschaftlichen wie in künstlerischen Kontexten erproben konnte.

Auch nach dem Ende seiner Lehrtätigkeit haben die vielfältigen Aktivitäten nicht abgenommen. Eher das Gegenteil ist der Fall. Dazu gehören neben dem Schreiben etwa das von ihm mit organisierte monatlich stattfindende „Philosophische Café“ im Café Korb, die beiden schon angedeuteten Mittwoch-Arbeitskreise zu Aristoteles und Klossowski, die Mitherausgeberschaft der Zeitschrift „Tumult“ und vor allem eine dichte Reise- und Vortragstätigkeit im In- und Ausland. Seiner produktiven wie originellen Vielseitigkeit sind also weiterhin kaum Grenzen gesetzt.
Nietzsche zufolge ist es Ausdruck einer feinen und zugleich vornehmen Haltung, dort zu loben, wo man mit jemandem nicht übereinstimmt – sonst würde man ja nur sich selbst loben. In diesem Fall hätte mir das aber nur ein sehr kurzes Lob erlaubt.

Horst Ebner


DEVISEN

 

Neben dem Eingang Hoher Markt 4 befindet sich seit den Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts ein Messingschild mit der zweizeiligen Inschrift

WALTER SEITTER

ANALYTIKER

 

Das Ehrenkreuz trägt in seiner Mitte auf rundem goldenem lorbeerumkränztem Medaillon die dreizeilige Inschrift

LITTERIS
ET
ARTIBUS

 

Als "papiernes" Epitaph steht hier die zweizeilige - und analytische - Devise

UNTER DEM HIMMEL

 

 

 

 

 

 

AUCH IN DER ERDE


Vortrag

Weglass und Nachlass. Wie Pierre Klossowskis "Monnaie vivante" so geworden ist.

Samstag, 1. Dezember 2012, 16 Uhr

Im Rahmen des Symposions

"Das Verborgene im Werk - Einfälle, Skizzen, Modelle"

30. November bis 1. Dezember 2012

Institut Français de Vienne
Währinger Straße 30
1090 Wien


Vortrag "Zeit-Organisationen im Menschenleben"

am Samstag, dem 20. September 2012,
um 20 Uhr

im Rahmen der Tagung "Das Subjekt und die Zeit"

Makedonien-Universität
Egnatia-Straße
Thessaloniki

Zeiten im Menschenleben, Zeit des Menschenlebens, Zeiten jenseits der Menschenleben. Wir organisieren, wir erfahren "unsere" Zeit gemäß sehr unterschiedlichen Formen, Rythmen, Verhängnissen. Einige davon sollen hier besprochen werden: Projektemachen, Tag und Nacht, Geborenwordensein, Archäologie, Sterbenmüssen.


Vortrag "Sonderräume, Abräume, Unräume"

am Donnerstag, dem 13. September 2012,
um 19 Uhr

im Rahmen der Ausstellung "Raumaffären" (Kurator Marc Mer)
MUSA, Felberstraße 6-8
1010 Wien

Jeder der drei Titelbegriffe verweist darauf, daß wir nicht in einem homogenen leeren Raum leben, sondern in vielerlei quantitativ und qualitativ unterschiedenen Räumen, von denen mancher sogar versuchen könnte, möglichst homogen und leer zu erscheinen - man denke an den White Cube oder die fast ebenso weiße Isolationszelle: ein Sonderraum für Sonderbehandlung ...


Podiumsdiskussion

zum Thema Deutschland-Europa-Welt

am Donnerstag, dem 6. September 2012,
um 18 Uhr 30

im Rahmen der Tagung "Helmuth Plessner: Die verspätete Nation
Murnaustr. 6
Wiesbaden

Nachdem Helmuth Plessner die "Verspätung" Deutschlands an den Nationalstaaten des "Westens" mißt, weise ich darauf hin, daß sich ein weiter gefaßter Westen bereits im Mittelalter zu formieren begonnen hat: mit der Gotik hat sich das lateinische Abendland nicht nur vom nahen Orient abgesetzt sondern auch eine tendenzielle Nordverschiebung eingeleitet: ästhetische Emanzipation vom Mittelmeerraum.


Buchpräsentation

WALTER SEITTER

REAKTIONÄRE ROMANIK

Mittwoch, 13. Juni 2012, 19 Uhr

Akademie der bildenden Künste
M13a
Schillerpaltz 3
1010 Wien

Mit Dieter Bandhauer (Sonderzahl Verlag), Elisabeth von Samsonow, Walter Seitter

WIE KAM ES ZUM "WECHSEL VON DER KREIS-KUPPEL-ARCHITEKTUR
ZU GOTISCHEN FORMEN"? (Marshall McLuhan)

"MIT DEM ERSCHEINEN DER GOTIK HAT SICH EIN UMBRUCH
VOLLZOGEN, DER TIEFER SOGAR ALS DER DER
RENAISSANCE IST." (Hans Sedlmayr)

Was das Mittelalter kennzeichnet, ist nicht die Einheit einer Epoche sondern das
Durchlaufen mehrerer Brüche oder Sprünge, die schließlich zu uns, den "Westlichen"
oder "Modernen" geführt haben. So die Erfindung und Durchsetzung der Gotik,
die nur in Westeuropa stattgefunden hat, die den althergebrachten Primat des "Orients"
verabschiedet und die Formierung des "Abendlandes" eingeleitet hat.


Tagung

WELT DER ABGRÜNDE - GEORGES BATAILLE AVANT TOUS
6.-8. Juni 2012

Katholisch-Theologische Privatuniversität Linz
Bethlehemstr. 20
4020 Linz

Vortrag Walter Seitter
Freitag, 8. Juni 2012
10 Uhr

BATAILLE UND DIE PHILOSOPHISCHE ANTHROPOLOGIE

Die drei Philosophen Max Scheler, Helmuth Plessner, Arnold Gehlen haben in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts naturwissenschaftlich-philosophische Wesensbestimmungen des "Menschen" vorgeschlagen. Der ganz anders orientierte Georges Bataille hat um dieselbe Zeit Thesen vorgetragen, die verblüffend ähnlich erscheinen.


Tagung

MEDIA-MATTER
31. Mai - 2. Juni 2012

Universität Frankfurt
Campus Bockenheim
Hauptgebäude "Jügelhaus"
Mertonstr. 17-21
H14

Vortrag Walter Seitter
Freitag, 1. Juni 2012
9 Uhr

THE META-PHYSICS OF MEDIA

Sind Medien durchwegs natürliche Körper, wie Aristoteles angenommen hat? Oder eher immer artifizielle Gebilde? Neigen sie eher dazu zu verschwinden vor dem, was sie wahrnehmbar machen, oder drängen sie sich ungebührlich (schädlich) in den Vordergrund? Walter Seitter lenkt den Blick auf einige Medien, die von den gängigen Theorien eher vernachlässig werden.


Buchpräsentation

BODO HELL PETER KUBELKA WALTER SEITTER ELSBETH WALLNÖFER

UNTERSBERG
GESCHICHTEN GRENZGÄNGE GANGSTEIGE

Stadt-Bibliothek Salzburg
Schumacherstr. 14
5020 Salzburg

Montag, 14. Mai 2012
19 Uhr 30

WAS IST EIN BERG - AUFRAGENDE UNTERWELT

In diesem Berg wird der berühmte zwischen Berchtesgaden, Reichenhall und Salzburg liegende Berg aus unterschiedlichsten Perspektiven beschrieben, besprochen und beleuchtet. Ein Heimatbuch - und mehr als das.


Buchpräsentation

FRANCIS PONGE
DER TISCH

ÜBERSETZUNG UND NACHWORT VON WALTER SEITTER

Französisches Kulturinstitut
Währingerstr. 30
1090 Wien

Montag, 9. März 2012
19 Uhr

Mit Sebastian Hackenschmidt und Walter Seitter

NEBEN DER WISSENSCHAFTLICHEN PHYSIK GIBT ES - IN WEITEM ABSTAND - DIE POETISCHE PHYSIK, SO BEI PONGE. ZWISCHEN DEN BEIDEN STEHT DIE PHILOSOPHISCHE PHYSIK, DIE MIT AUGENSCHEIN UND UMGANGSSPRACHE ARBEITET. SIE UNTERSCHEIDET SICH VON DER WISSENSCHAFTLICHEN NICHT DADURCH, DASS SIE WENIGER WISSENSCHAFTLICH, SONDERN DASS SIE WENIGER SPEKULTATIV IST.


Symposium Philosophie und Politik

Walter Seitter

The Concept of the Political: inevitability of Decision

Freitag, 20. Januar 2012, 11 Uhr
Städtische Bibliothek
Ethnikis Aminis
Thessaloniki

Es wird ein "Begriff des Politischen" skizziert, der sich vom "Phänomen der Politik" nicht weit entfernt sondern dessen Essenz resümiert: Entscheidungen über die Leute in ihrem kollektiven Dasein, und zwar über alle Leute, ja über noch "mehr als alle": Entscheidungen bis hin zur "Außenpolitik".


Tagung zum 10. Todestag von Dietmar Kamper

Walter Seitter

Philosophische Anthropologie, Historische Anthropologie, Anti-Anthropologie

Freitag, 21. Oktober 2011, 18 Uhr
Salon Nicolaus Sombart
Ludwigkirchstr. 10 A
Berlin-Wilmersdorf

Die Historische Anthropologie kann als Kompromißbildung zwischen der Philosophischen Anthropologie und der Anti-Anthropologie (wie sie vor allem von Foucault und Lacan vorangetrieben worden ist) aufgefaßt werden. Sie tut gut daran, diese ihre beiden "extremen" Außenpole - Essenzialismus und Dramatizismus - nicht zu vergessen.


Konferenz Die vier Diskurse

Walter Seitter

Philosophie, Anti-Philosophie, Lacan

Samstag, 26. November 2011, 11 Uhr
Französisches Kulturinstitut
Palais Clam Gallas
1090 Wien

Die einzige Profession, die Lacan ausgeübt hat, war die des Psychoanalytikers. Seine Lehrtätigkeit hatte jedoch eine Doppelcharakter: Lehre der Psychoanalyse und Führung seiner Psychoanalytiker-Vereinigung einerseits und andererseits Gründung einer Philosophen-Schule gemäß antikenVorbildern, in denen sich die theoretische Neugierde mit der Suche nach Lebenskunst verband.


Akademische Verabschiedung von Professor August Ruhs

Walter Seitter

Fröhliche Wissenschaft – malgré tout ?

Freitag, 16. September 2011, 18 Uhr
Josephinum
1090 Wien

Insofern die Psychoanalyse aus der Medizin hervorgegangen ist, hält sie am Konzept der "menschlichen Natur" fest, womit sie in einen deutlichen Gegensatz zur vorherrschenden Kritik am "Essenzialismus" gerät, und damit auch in den Verdacht eines gewissen Traditionalismus. Transformiert man mit Lacan die psychoanalytische Theorie in eine Weise des Philosophierens , so handelt es sich um ein Philosophieren, das mit den antiken Künsten der Dialektik, der Poetik, des Esprit, des Humors operiert.


Tagung Philosophische Anthropologie und Strukturalismus

Walter Seitter

Gemeinsamkeiten zwischen Freud, Plessner, Lacan: Physiologie, Essenzialismus

Freitag, 8. Juli 2011, 10 Uhr
Philosophisches Institut der Universität Potsdam
Neues Palais
Sanssouci
Potsdam

Anhand der drei Autoren wird gezeigt, daß der Anteil der Medizin an der Formierung und Verbreitung der Philosophischen Anthropologie nicht unerheblich ist - was erstaunen läßt, wenn man die Anthropologie für eine zentrale Thematik der Philosophie hält.


VORTRAG

Tagung "Dezentrierungen. Philosophische Anthropologie zwischen Struktualismus und Post-Strukturalismus"
7. bis 9. Juli 2011
Universität Potsdam
Am Neuen Palais 10
Haus 9, Raum 1.14

WALTER SEITTER
GEMEINSAMKEITEN ZWISCHEN FREUD, PLESSNER, LACAN:
PHYSIOLOGIE, ESSENZIALISMUS

Donnerstag, 7. Juli 2011, 18 Uhr

Drei Theoretiker, die direkt oder indirekt zum Aufkommen der Philosophischen Anthropologie beigetragen, haben immerhin eines gemeinsam: daß sie Medizin (Humanmedizin) studiert haben. Während für Philosophen "Essenzialismus" schon fast zu einem Schimpfwort geworden ist, halten Mediziner an anthropologischen Konstanten fest. Ein banales Beispiel ist die Feststellung, daß bei allen Menschen das Herz mehr links sitzt, die Leber hingegen mehr rechts ....


Vortrag am 23. November 2010

Universität Köln
Albertus Magnus Platz 1
WISO-Gebäude, Gutenberg-Hörsaal (XXV)
19.30 Uhr

Menschenfassung Container. Zur Architekturgeschichte eines neuen Mediums

Die These von der "Entmaterialisierung" der gegenwärtigen Zivilisation durch die Neuen Medien läßt sich korrigieren, wenn man die unübersehbare Allgegenwart der Container zur Kenntnis nimmt. Sie bilden ein zweites "Leitmedium" neben den Computern - und sie bestehen aus massiver "Hardware".


Vortrag am 12. November 2010

Universität Graz
Universitätsstr. 15
RESOWI-Zentrum A/2

Kontingenzen bei Aristoteles

Aristoteles hat den Begriff der Kontingenz in allen Bereichen seiner Philosophie zur Geltung gebracht: Logik, Physik, Ethik. Eine zentrale Rolle spielt das mit diesem Begriff gemeinte Verhältnis in der Poetik, wo die Kontingenz einerseits von der Fast-Notwendigkeit des tragödischen plot ausgeschaltet wird, auf einer anderen Ebene jedoch durch die Zulassung des Überraschenden, des Wunderbaren, ja des Unmöglichen in gesteigerter Form in die Dichtung integriert wird.


Vortrag von Walter Seitter

Ursache, Urheber, Urfaktum, Urszene, Ursprung, Anfang, Prinzip

Samstag, 23. Oktober 2010, 12 Uhr
Makedonia Universität Thessaloniki
156, Egnatia

Das Denken des 20. Jahrhunderts neigt dazu, den Begriff "Ursache" zu verabschieden, wofür es gute und weniger gute Gründe gibt. Aber im Widerspruch dazu haben einige Paradigmata geradezu allmächtige Ursprungsinstanzen etabliert - ohne sich darüber im klaren zu sein. Ich will am Beispiel des Aristoteles eine differenzierte Begriffskultur in Sachen Kausalität vorführen.


Vortrag von Walter Seitter

Überlegungen zum Begriff des Politischen

Donnerstag, 21. Oktober 2010, 19 Uhr
Schule der Politischen Wissenschaften
Aristoteles Universität Thessaloniki
46, Egnatia, 3. Stock

Der "Begriff des Politischen" ist in dieser Form 1927 von Carl Schmitt sozusagen erfunden worden. Ich selber habe ihn in den "Menschenfassungen" (1985) zu reformulieren versucht. Da er In den letzten Jahrzehnten neuerlich von mehreren Theoretikern neu bearbeitet worden ist, komme ich wieder auf ihn zurück.


Vortrag Walter Seitter:

Strafen als soziales Handeln - ?

Donnerstag, 11. Februar 2010, 19:30 Uhr

Philosophischer Salon in der Villa Eberhard
Heidenheimer Str. 80
Ulm

Die Praxis des Strafrechts und des Strafvollzugs steht seit 200 Jahren unter dem Zeichen der "Reform": Liberalisierung und Humanisierung des Strafens, Transformation hin zum Heilen, Erziehen, Betreuen. Gleichzeitig sieht es nicht so aus, als würde sich die Praxis des Strafens auflösen und verflüchtigen. Bis in die Gegenwart werden neue Straftatbestände geschaffen; immer wieder regt sich Volkszorn und zeigt, daß der Wille zum Strafen nicht erlahmt. In dieser Situation erscheint es geboten, die Bedeutung und den Sinn von "Strafen" neuerlich zu überdenken.


"Die Zivilisation des Interpreten"
Konferenz zum Œuvre Pierre Legendres

Vortrag Walter Seitter:

Wozu Theater?
Eine politische Lektüre der aristotelischen Poetik

Freitag, 6. November 2009, 17 Uhr
Raum 0.01, Bâtiment des Sciences
162a, avenue de la Faïencerie
L-1511 Luxemburg


Vortrag Walter Seitter:

Griechen, Plethon, Deutsche

27. November 2008, 19 Uhr
Weimar, Nietzche-Archiv, Humboldtstr. 34


Vortrag Walter Seitter:

Wahrheit, Macht, Medien.
Zum Wirkenkönnen nach Michel Foucault

26. November 2008, 19 Uhr
Weimar, Universität, Bauhausstr. 11


Podiumsdiskussion:

"Ad usum: Pierre Klossowski und das Lebende Geld"

26. Oktober 2008, 17 Uhr
Berlin-Lichtenberg, Max Taut Aula


Podiumsdiskussion:

"Die Welt der Simulakren.
Wahrheit, Schein, trügerische Wirklichkeit"

25. Oktober 2008, 17 Uhr
Berlin-Lichtenberg, Max Taut Aula


Vortrag Walter Seitter:

Philhellenismus oder Byzantinistik?
Wolfgang von Goethe über Kardinal Bessarion

Montag, 29. September 2008
Magoula bei Mistra, Freie Philosophieschule "Plethon"


Buchpräsentation - Der hinreiszende Klang des Amerikanischen

"Tumult Schriften zur Verkehrswissenschaft 32: Der hinreißende Klang des Amerikanischen"

Dienstag, 29. April 2008, 19 Uhr
Amerika Institut, Operngasse 4, 1010 Wien

Lesungen von und Diskussion mit Frank Böckelmann (München), Robert Reinagl (Wien),
Andreas Weissenbäck (Wien). Moderation: Walter Seitter (Wien)

Amerikas Übermächtigkeit sowie auch die Unvermeidlichkeit parteiischer Einstellungen ihm gegenüber erschweren den beobachtenden, den charakterisierenden Blick auf es. Im vorliegenden Tumult-Band werden mehrere Blicke oder vielmehr Hörerfahrungen zusammengetragen, die die akustische Oberfläche des Amerikanischen abtasten: Vergleiche mit dem klassischen Englisch, Hinweise auf subsprachliche Ausdifferenzierungen des Amerikanischen, Vermutungen zum Zusammenhang zwischen Sprachcharakter und Kulturprofil, Ausblicke auf andere Englishes, Mutmaßungen zur Selbstbehauptung des Deutschen gegenüber der Anglophonie ...

Linguistik, Kulturwissenschaft, Sozialwissenschaft, Politikwissenschaft vereinigen sich in diesem Band zu dem, was man "Verkehrswissenschaft" nennen könnte – welche hier in die Geopolitik ausgreift.


Alpha Space - Prof. Dr. Walter Seitter

TIEFBAU UND HOCHBAU UND
ZUM ELEMENTAREN DER ARCHITEKTUR

Können philosophische Wesensbestimmungen zum Boden und zum Stein, zur Straße und zum Haus, zum Horizontalen und zum Vertikalen einen Beitrag zum Verständnis, ja zum Hervorbringen von Architektur leisten, die doch eine Sache von Entscheidungen, Wünschen, Wertungen ist?

Münster (Westfalen)
18.04.2008 | Leonardo Campus 10


Vortrag Walter Seitter

Makedonia Universität Thessaloniki (Egnatia 156)

Freitag, 1. Februar 2008, 19 Uhr

Mensch, Person, Individuum, Subjekt ...

Ausgehend von der Frage, welche Haupt-, Neben- oder Ersatzbegriffe das Menschenwesen bezeichnen können, soll die Problematik des Ersatzbegriffes "Subjekt" diskutiert werden, mitsamt Hinweisen auf "suppôt" und "Identität".


Vortrag Walter Seitter

Dokumentationszentrum für ost- und mitteleuropäische Literatur
Spengergasse 30, Wien 1050
Samstag, 19. Jänner, 17 Uhr

Individuum und Chaos

In der Mitte der Zwanzigerjahre verfaßte der junge Gelehrte Erich Voegelin einen Aufsatz, der die Ich-Analyse seiner Dissertation, worin er mehrere Ich-Stufen unterscheidet, dynamisch-dramatisch auslegt: als Kampf zwischen Chaos und Sinngebung. Damit deutet er eine Grundlegung der Philosophischen Anthropologie an, die mit möglichst wenig "Voraussetzung" das Problem der "Voraussetzung" bzw. "Voraussetzungslosigkeit" formuliert.


INSTITUT FÜR BYZANTINISTIK UND NEOGRÄZISTIK DER UNIVERSITÄT WIEN
ÖSTERREICHISCHE BYZANTINISCHE GESELLSCHAF

Wir laden ein zu einem Vortragsabend mit anschließender Diskussion zum Thema
Georgios Gemistos Plethon

 Doz. Dr. Walter Seitter, Wien
Eine Philosophie des Pluralen? Aspekte im Denken Plethons

Der griechische Philosoph Georgios Gemistos Plethon (1355–1452) gilt gemeinhin als Neuplatoniker. Zum einen hat er selber Platon zu seinem Ahnen erklärt, zum anderen hat er auf den Platonismus der Florentiner Renaissance eingewirkt. Darüberhinaus hat Plethon den Dualismus in der Wesensbestimmung des Menschen kosmologisch radikalisiert und den Universalismus der Wahrheit historisch-ethnographisch relativiert.

Prof. Dr. Ernst Gamillscheg, Wien
Wiener Handschriften des Georgios Gemistos Plethon 

In der Österreichischen Nationalbibliothek finden sich zwar keine Autographen des Georgios Gemistos Plethon, doch stammt Cod. Phil. Gr. 140, der einen astronomischen Traktat enthält, von dem Kopisten Demetrios Triboles, der sich selbst als Peloponnesier bezeichnete. Dieser Schreiber arbeitete im Kreis des Kardinals Bessarion.

Aus dem 16. Jahrhundert stammt Cod. Phil. Gr. 74 mit der Verteidigung des Aristoteles durch Plethon. Der Beginn dieses Manuskriptes bis fol. 34 (ein Brief des Bessarion an den Philosophen) wurde von Arnold Arlenios geschrieben, dessen Wirken in der Mitte des 16. Jahrhunderts in Venedig lokalisiert werden kann.

Mit Lichtbildern

Vortragsort: 1010 Wien, Postgasse 7, 1. Stiege, 3. Stock

 Zeit: Montag, 10. Dezember 2007, 18.30 Uhr

Gäste sind herzlich willkommen!

Vortrag von Walter Seitter:

Montag, 5. November 2007, 19 Uhr 30.
Aristoteles Universität Thessaloniki, Altes Gebäude der Philosophischen Fakultät, Philosophisches

Institut, Auditorium Maximum.

Schrift, Bild, Kunst

Die beiden wichtigsten visuellen Miniaturisierungs- und Codierungsformen, Schrift und Bild, sind in den meisten Kulturen enge Verbindungen eingegangen. Nur die europäische Kultur tendierte zwischen dem 15. und dem 19. Jahrhundert zur Trennung der beiden Darstellungstechniken. Seit dem frühen 20. Jahrhundert werden sie wieder häufig und auf vielfältige Weise zusammengeführt. Der Vortrag beschäftigt sich mit der Frage, was diese unterschiedlichen Verhältnisse für die Kunst bedeuten.


Im Rahmen der Darmstädter Tagung "Räume und Orte. Spannungen eines Paradigmas"

spricht Walter Seitter

am Freitag, dem 5. Oktober 2007, um 11 Uhr über

"Foucaults Topologie: Heterotopologie".

Petra Gehring respondiert mit

"Anthropotopie - Epistemotopie - Topie"

Ort: Darmstadt, Hochschulstr. 10
Piloty Gebäude am Herrngarten


Das Nest-Fest findet am Sonntag, dem 24. Juni 2007, um ca. 19.34 Uhr
im MuseumsQuartier / Architektur-Zentrum-Hof / f.e.a-hof
statt.

Kurzvorträge u. a. von

Walter Seitter: Nest, Ei, Vogel - Zur Topoanalyse von Leben und Geist

Versuch, die Konstitution von Lebewesen (und Geistwesen) mit rein räumlichen Kategorien zu bestimmen und zwar unterzubestimmen. Die Topologie (man könnte auch sagen: die Architektur) erweist sich als Basisdisziplin, mit der die Rahmenbedingungen geklärt werden können, in denen dann physikalische und chemische Faktoren wirksam werden.


Vortrag von Walter Seitter auf der Tagung
SIMULAKREN DES BEGEHRENS
VOM TUN IM BILD IN PIERRE KLOSSOWSKIS WERK

Köln, Museum Ludwig
Samstag, 24. Februar 2007, 18 Uhr:

Texte und Bilder zwischen Nehmen und Geben
Pierre Klossowskis Ökonomie der Gabe

Parallel zu seinem vielfältigen literarischen und bildernischen Werk hat Pierre Klossowski an einer sowohl historischen wie philosophischen Anthropologie gearbeitet, die mit Interpretationen zu Sade und Nietzsche eingesetzt hat und die man von einer Seite als "ökonomistische Philosophie" bezeichnen könnte. Ihre übermäßig verdichtete Darstellung hat sie in der Monnaie vivante gefunden: Geldwerdung des Menschen, Menschwerdung des Zeichens, des Goldes, der Währung?


Vortrag Walter Seitter:

Schrift, Bild, Kunst

Donau Universität Krems
Dr. Karl Dorek Str. 30
3500 Krems

Samstag, 18. November 2006, 17 Uhr

Die beiden wichtigsten visuellen Miniaturisierungs- und Codierungsformen, Schrift und Bild, sind in den meisten Kulturen enge Verbindungen eingegangen. Nur die europäische Kultur tendierte zwischen dem 15. und dem 19. Jahrhundert zur Trennung der beiden Darstellungstechniken. Seit dem frühen 20. Jahrhundert werden sie wieder häufig und auf vielfältige Weise zusammengeführt.


Vortrag Walter Seitter: Freitag, 3. November 2006, 18 Uhr
Universität Graz, Institut für Philosophie, 5. Stock UR 09.51
Heinrichstr. 26, 8010 Graz

Michel Foucault: Von der Fremdbestimmung zur Selbstführung?

Der französische Philosoph Michel Foucault (1926-1984) folgte der Annahme, Fremdbestimmung (Fremdbestimmtheit) würde den Menschen unerträgliche Situationen aufzwingen. In seinen frühen Schriften hat Foucault zeigen wollen, daß auch die modernen menschenfreundlichen Regierungen seit dem 18. Jahrhundert die Leute gängeln und in Schach halten. Die Erfahrung und die Analyse solcher Regierungspraktiken kann bereits zu ihrer Kritik, möglicherweise zu ihrer Überwindung überleiten. In seinen späten Schriften hat sich Foucault im Nachvollzug antiker Philosophen gefragt, welche Möglichkeiten die Individuen haben, Strategien der Selbstbestimmung für sich zu organisieren.


Vortrag von Walter Seitter auf der Tagung
DISPLAY - DIE KULTURELLE ENTFALTUNG DIGITALER BILDER,
Schloß Dornburg bei Jena, 14.- 15. Juli 2006

Freitag, 14. Juli 2006, 11.30 Uhr:
"Digital" heißt "fingerig". Zur Physik von Schrift und Bild.

Schrift und Bild sind zwei benachbarte visuelle Artifizien, zu deren Produktionsbedingungen die menschliche Hand gehört, die einerseits dinglich, andererseits auch lose gekoppelt (im Sinne von Fritz Heider) ist, wozu vor allem die Gegebenheit der Finger beiträgt. Während sich dieser "fingerige" Charakter auf die Schrift offensichtlich überträgt, können Zeichnung und vor allem Malerei ihre "digitale" Herkunft auch verschleiern.


Vortrag von Walter Seitter auf der Tagung "Klanganthropologie" im Clubhaus der Freien Universität Berlin, Goethestr. 49, 14163 Berlin.

Samstag, 22. April 2005, 11 Uhr 30:
Das Spektrum der hörbaren Menschenäußerungen: Ich werde eine Übersicht über alle akustischen Menschenäußerungen geben: die mehr eigenkörperlichen und die mehr fremdkörperlichen, die freiwilligen und unfreiwilligen, die signifikanten und die asignifikanten.


Vorträge von Walter Seitter in daedalus notes 1984 - 2006
Metro Kino, Johannesgasse 4, 1010 Wien

Samstag, 8. April 2006, 10 Uhr:

Foucault: Infamie, Heterotopie ...
Einige Buchtitel von Foucault machen die "Ordnung" zum Thema bzw. zum Problem. Ich möchte ausführen, daß die "Ordnung der Menschen" das sich durchhaltende Problem Foucaults war: Wie ordnen sich, wie ordnen einander die Menschen? Welche Einteilungen, Grenzziehungen, Gruppierungen, Fixierungen und Mobilisierungen, Einschließungen und Ausschließungen nehmen sie aneinander vor? Mit welchen Ergebnissen von Erträglichkeit oder Unerträglichkeit? Mit der "Ordnung der Menschen" hat Foucault eine fundamentalpolitische Ebene ins Auge gefaßt.

Samstag, 8. April 2006, 14 Uhr:

Lacan: Illustration, Topologie, Zeichenkunst.

In Lacans Zeichnungen (siehe www.lacan.at - Lacan-Ausstellung 1988) lassen sich drei Ebenen unterscheiden: Darstellung seiner psychoanalytischen Theorie von der "psychischen Realität", welche den Bereich des Subjekts überschreitet; Heranziehung einer mathematischen Subdisziplin, die Topologie heißt; zusätzliche oder tychische Bildeffekte, die in Richtung Organismus oder Architektur weisen.


Vortrag Walter Seitter im Rahmen der Tagung "Expressivität und Stil. Helmuth Plessners Sinnes- und Ausdrucksphilosophie" vom 23. bis zum 25. März 2006 in Florenz.

Samstag, 25. März 2006, 9 Uhr, Gabinetto Vieusseux, Piazza Strozzi, Florenz:

Expressionismus-Kritik und Kundgebungs-Notwendigkeit

Helmuth Plessner hat um 1920 in der Malerei von Kandinsky, Malewitsch und Mondrian eine radikale Selbstzerstörung des Bildes aus dem Geist der Gnosis diagnostiziert. Seine profunde Modernismus-Kritik bleibt aber nicht in Verzweiflung stecken. Sie läßt die Möglichkeit offen, daß die Architektur, die sich nicht vollständig von der Welt emanzipieren kann, aus der Krise des Bildes neue Chancen schöpft: so "wird ein Geschlecht, das Bilder haben will, aus dem Verfall die reinen Elemente zu neuem Aufbau zu gebrauchen wissen". Es waren die im Bunde mit der Industrie konzipierten Bauten der Künstler des Deutschen Werkbundes, die Plessner zu dieser Hoffnung befähigten.


Vortrag Walter Seitter im Rahmen der Tagung "Das Politische - Bild und Wirklichkeit" vom 9. bis zum 11. März 2006.

Freitag, 10. März 2006, 11 Uhr, AAI-Wien, Türkenstr 3/2, 1090 Wien:

Einrichtungen. Politische Institution und künstlerische Installation - Berlin 1995.

In den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts hat Martin Heidegger die Staatsgründung und die Hervorbringung von Kunstwerken in Parallele gesetzt und beide als "Einrichtung von Wahrheit" bezeichnet. In den Neunzigerjahren kam es mit der Wiedervereinigung Deutschlands zu einer Situation, in der die Staatlichkeit einen neuen Anfang zu nehmen hatte. In diese Phase stieß die Reichstagsverhüllung von Christo und Jeanne-Claude hinein: einerseits von außen kommend und andererseits ein zentrales Symbol deutscher Politik besetzend. In welches Verhältnis traten damit Politik und Kunst?


Vortrag auf dem Symposium "Vor 50 Jahren: Lacan in Wien"
Josephinum, Währingerstraße 25, 1090 Wien

Samstag, 5. November 2005, 11 Uhr
Walter Seitter: Zur Geographie des Denkens

Vor 50 Jahren ist Lacan nach Wien gefahren, um hier seinen Vortrag "Das Freudsche Ding oder Sinn einer Rückkehr zu Freud in der Psychoanalyse" zu halten. Während dieses Vortrages vollzog er eine überraschende Hinkehr zum Pult und erteilt ihm das Wort. Diese Wendung Lacans zu seinem aktuellen Nächsten, seinem momentanen Zeit- und Ortsgenossen, greife ich auf, um die topischen Dimensionen des Denkens zu erörtern.


Vortrag von Walter Seitter auf der Tagung "Montesquieu, der Staat, die Religion" in Sofia (7. und 8. Oktober 2005)
Freitag, 7. Oktober 2005, 16 Uhr, Neue Bulgarische Universität:

De Pléthon à Montesquieu: politique et religion dans l'Empire byzantin et dans le projet de réforme tardo-byzantin.

Der französische Theoretiker Montesquieu (1689-1755) hat sich relativ ausführlich mit dem sog. Byzantinischen Reich auseinandergesetzt und sah in der mangelhaften Gewaltenteilung zwischen Staat und Kirche einen Hauptgrund für den Niedergang jenes Reiches, das im Jahre 1453 endgültig unterging. Seine nachträgliche Kritik überschneidet sich teilweise mit den weitgehenden Reformvorschlägen, mit denen der griechische Gelehrte und Fürstenberater Plethon (1355-1452) im 15. Jahrhundert vergeblich versucht hatte, seinem Vaterland aufzuhelfen.


                   


Aus der von März 1985 bis Dezember 2007 währenden Lehrtätigkeit an der Universität für angewandte Kunst werden zwei Serien dokumentiert:

Stadtbesprechungen, in denen jeweils ein Ort der Stadt mit Gehen, Sehen und Sprechen thematisiert worden ist.

Die Postgasse im Jahre 1760, gemalt von der Postgasse 6 aus.


Montagvorträge "ÄSTHETIK UND POLITIK"

Fortlaufende Veranstaltungen

Im Rahmen der Sektion Ästhetik der Neuen Wiener Gruppe/Lacan-Schule finden folgende Privatseminare statt:

KLOSSOWSKI-SEMINAR und IN DER METAPHSIK LESEN.

Näheres dazu unter http://hermesgruppe.blogspot.com/

Mitherausgeber von

TUMULT

Schriften zur Verkehrswissenschaft

1. Wiener Philosophen Café

jeden 2. Samstag um 16 Uhr

im Café Korb
in der Brandstätte 9
A-1010 Wien


07.10.2023: Philosophie und Wissenschaft
21.10.2023: Manipulation oder Willensbildung
04.11.2023: Philosophie und westliche Hegemonie
18.11.2023: Was heißt Glauben?
02.12.2023: Einsamkeit – Eigenständigkeit
13.01.2024: Was ist Zeitgeist?
27.01.2024: Ökonomie und Ökologie
10.02.2024: Familie – noch zeitgemäß?
24.02.2024: Askese
09.03.2024: aktuell/interessant/wichtig

DIE ANIMATOREN:
Robert König / Universität Wien
Walter Seitter / Univ. f. angew. Kunst
Gerhard Weinberger / BMEIA, Wien
Kurt Walter Zeidler / Universität Wien

Buchveröffentlichungen

  • Michel Foucault - Von der Subversion des Wissens (Hanser München 1974, Ullstein Frankfurt 1978, Fischer Frankfurt 1987)
  • Der große Durchblick. Unternehmensanalysen (Merve Berlin 1983)
  • Jacques Lacan und (Merve Berlin 1984)
  • Menschenfassungen. Studien zur Erkenntnispolitikwissenschaft (Boer München 1985)
  • Das politische Wissen im Nibelungenlied. Vorlesungen (Merve Berlin 1987)
  • Versprechen, versagen. Frauenmacht und Frauenästhetik in der Kriemhild-Diskussion des 13. Jahrhunderts (Merve Berlin 1990)
  • Vienne (Hachette Paris 1991)
  • Unzeitgemäße Aufklärung. Franz Grillparzers Philosophie (Turia & Kant Wien 1991)
  • Piero della Francesca. Parallele Farben (Merve Berlin 1992)
  • Hans von Marées. Ein anderer Philosoph (Droschl Graz 1993)
  • Helmut Newton. Körperanalysen (Sonderzahl Wien 1993)
  • Distante Siegfried-Paraphrasen: Jesus, Helmbrecht, Dietrich (Merve Berlin 1993)
  • Michel Foucault - Das Spektrum der Genealogie (Philo Bodenheim 1996)
  • Physik des Daseins. Bausteine zu einer Philosophie der Erscheinungen (Wien: Sonderzahl 1997)
  • Geschichte der Nacht (PhiloVerlag Bodenheim 1999)
  • Kunst der Wacht. Träumen und andere Wachen (Berlin Philo Verlag 2001)
  • Physik der Medien. Materialien, Apparate, Präsentierungen (Weimar 2002)
  • Multiple Existenzen: El Greco, Kaiserin Elisabeth, Pierre Klossowski (Wien 2002)
  • Pierre Klossowski: Unter dem Diktat des Bildes ... Ein Gespräch mit Rémy Zaugg.
    Nachwort von Horst Ebner und Walter Seitter ( Turia & Kant Wien 2008)
  • Poetik lesen (Merve Berlin 2010)
  • Francis Ponge: Der Tisch. Ein Textauszug. Übersetzt und mit einem Nachwort von Walter Seitter (Klagenfurt 2011)
  • Reaktionäre Romanik. Stilwandel und Geopolitik (Wien 2012)
  • Menschenfassungen. Studien zur Erkenntnispolitikwissenschaft. Mit einem Vorwort des Autors zur Neuausgabe 2012 und einem Essay von Friedrich Balke: Tychonta, Zustöße. Walter Seitters surrealistische Entgründung der Politik und ihrer Wissenschaft (Weilerswist 2012)
  • Bodo Hell, Peter Kubelka, Walter Seitter, Elsbeth Wallnöfer: Untersberg. Geschichten Grenzgänge Gangsteige (Salzburg 2012)
  • Η φυσικη της υπαρξης. Λιθαρικια για μια φιλοσοφια των εμφανισεων (Thessaloniki 2O14)
  • Δομηνικος Θεοτοκοπουλος. Ο Ελληνας στα ξενα (Thessaloniki 2015)
  • Aristoteles betrachten und besprechen (Metaphysik I-VI) (Freiburg-München 2018)

 

 

 

 

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Seit kurzem gibt es die Helmuth Plessner Gesellschaft, die sich die Aufgabe setzt, das Werk dieses Philosophen, eines Hauptvertreters der "Philosophischen Anthropologie" zu fördern und in die weitere Entwicklung der Philosophie einzubringen.

Helmuth Plessner Website: www.helmuth-plessner.de