Sektion Ästhetik
1996/97

Gerhard Grössing

Paradoxales Umkippen.

Zum Überschreiten der Grenzen physikalischer (und anderer) Weltbilder
Walter Seitter

Zur Physik der Bedeutungen der Farben

Walter Pamminger

Wucherungen des Indexikalischen.

Layoutierungen der Neunzigerjahre
Peter Melichar

Österreich ausstellen

Gottfried Hinker

Falte, Falz, Filz

Hans Georg Nicklaus

Marseillaise - Zur Bildung der Nationalhymnen

August Ruhs

Arbeit am Körperbau

Helmut Newton und Walter Seitter

Das Rauhe, das Digitale, das Polylithische.

Zur Physik des Haares
Helmut Newton und Walter Seitter

Das Rauhe, das Digitale, das Polylithische.
Zur Physik des Haares

Montag, 16. Juni 1997: 19 Uhr
Hörsaal 5
Hochschule für angewandte Kunst

Lange Zeit blickten Philosophen zur Physik als zur eigentlichen Wirklichkeitswissenschaft auf und dienten ihr gar die Philosophie als wissenschaftstheoretische Magd an. Heute überwiegt ein anderes, ein überlegen sein wollendes Sprechen über Physik: (de)konstruktivistische Ansätze meinen die Physik als ein soziokulturelles Sprachspiel enttarnen zu können, das eigentlich keinen Gegenstand hat und folglich den Namen Physik gar nicht verdient.

Anstatt so oder so über Physik zu sprechen, mache ich selber Physik. Ich bin ein Philosoph, der sich jetzt zum Physiker macht - und momentan gerade damit zum Philosophen. Ich mache nur eine, eine bestimmte Physik: neben derjenigen, die es ohnehin gibt. Und damit "beweise" ich die These, daß es mehr als eine Physik gibt. Es gibt so sehr Physik, daß es mehr davon gibt. Auch Physik ist polylogisch.

Der Philosoph, der sich gerade zum Physiker macht, zeigt auch etwas anderes: daß Philosophie nicht nur Logik (linguistic turn) sein muß, auch nicht nur Ethik (das Andere); sondern daß die Verfassung der Philosophie die antikische Gewaltenteilung zwischen Physik, Logik und Ethik ist.

Dies zeige ich - gemeinsam mit Fotos von Helmut Newton - an der Physik des Haares.

August Ruhs

Arbeit am Körperbau

Montag, 26. Mai 1997: 19 Uhr
Hörsaal 5
Hochschule für angewandte Kunst

Hans Georg Nicklaus

Marseillaise - Zur Bildung der Nationalhymnen

Montag, 21. April 1997: 19 Uhr
Hörsaal 5
Hochschule für angewandte Kunst

"Bemerken wir, daß das Wort Stimme, das bei Gelegenheit des allgemeinen Stimmrechts auftritt, einer der vieldeutigen Begriffe ist, die in eigentlicher (linguistischer, musikalischer) ebenso wie in übertragener (politischer) Bedeutung verstanden werden können.[...] Man kommt um den Gedanken nicht herum, daß der Begriff Einheit[...] ein Band um Rousseaus Ästhethik und Politik schlingt, die, eine wie die andere, auf verschiedenen Ebenen eine präzise Antwort auf das grundlegende Problem der Mitteilung zwischen den Individuen liefern, so daß die Geschichte der Gesellschaften als Geschichter der Stimmen gedeutet werden kann."
Diese Sätze Jean Starobinskis zu Rousseaus massiven Forderungen nach Einstimmigkeit für die Musik sowie für die Politik der Nation sprechen die Parallelität an, die zwischen den ästhetischen (hier insbesondere den musikästhetischen) und politischen Debatten der französischen Aufklärer des 18. Jahrhunderts zu finden ist. Die Parallelität besteht hier jedoch weder in einer schlichten Analogie noch in einer metaphorischen Behelfsterminologie. Stimme, Einstimmigkeit, Einheit und Nation bilden ein Begriffskonglomerat, in dem sich philosophische, künstlerische und politische Ebenen überkreuzen und gegenseitig initiieren. Die Nationalhymne ist ein Produkt dieser Überlagerung, in der eigentliche und übertragene Bedeutungen verschwinden.
Gottfried Hinker

Falte, Falz, Filz

Montag, 17. März 1997: 19 Uhr
Hörsaal 5
Hochschule für angewandte Kunst

Damit die Maidenwade das Gras der Madenweide sei, wird wieder einmal der Versuch unternommen, mit der Perücke des Abends die Glatze zu kämmen. Falte, Falz, Filz - Anwendung des Wendepunkts - dichtet dieses Offene.

Die Perücken aus den Händen von Gilles Deleuze und Gottfried W. Leibniz bilden mittels der Kettenregel der Differentialrechnung dy/dx=(dy/du).(du/dx) die Brücken zur Falte.

dAbendperücke/dFalte= (dAbendperücke/dDeleuze).(dDeleuze/dLeibniz).(dLeibniz/dFalte)

Locken vom Typus (dDeleuze/dLeibniz):
[Deleuze: Die Falte; Leibniz und der Barock:]

barocke Mathematik:
Mit Leibniz erscheint die Definition der barocken Mathematik: sie hat eine "neue Vorliebe" für variable Größen zum Gegenstand, die die Variation selber ist...
Die Welt ist die unendliche Kurve, die an unendlich vielen Punkten unendlich viele Kurven berührt, die Kurve mit einer einzigen Variablen, die konvergente Reihe aller Reihen...
...das Gesetz der Krümmung, das Gesetz der Falten oder der Richtungsänderungen.

barocke Grammatik:
Der Einschluß beruht bei Leibniz auf einem Schema Subjekt-Verb-Ergänzung, das seit der Antike dem Attributionsschema entgegensteht: eine barocke Grammatik, worin das Prädikat vor allem Relation und Ereignis ist, nicht Attribut...
...weil das Denken kein konstantes Attribut ist, sondern ein Prädikat als unaufhörlicher Übergang eines Gedankens in einen anderen.

barocke Physik und Metaphysik:
"Man kann daher die Teilung des Kontinuums nicht mit der des Sandes in Körner vergleichen, sondern mit in Falten gelegtem Papier oder Stoff, so daß es unendlich viele Falten geben könnte, die einen kleiner als die anderen, ohne daß sich der Körper jemals in Punkte oder Minima auflöste." Immerzu Falte in der Falte, wie eine Höhlung in der Höhlung. Die Einheit der Materie, das kleinste labyrinthische Element, ist die Falte, nicht der Punkt, der nie ein Teil, sondern immer nur das einfache Ende einer Linie ist.
Man kennt den Namen, den Leibniz der Seele oder dem Subjekt als metaphysischen Punkt geben wird: Monade.

barocke Mode
Das Entfalten ist also nicht das Gegenteil der Falte, sondern folgt der Falte bis zu einer anderen Falte.

Peter Melichar

Österreich ausstellen

Montag, 20 Jänner 1997: 19 Uhr
Hörsaal 5
Hochschule für angewandte Kunst

Die Ausstellung hat die Form einer kollektiven Gedenkfeier angenommen. Wenn sie sich der Geschichte annimmt, spielt die Historiographie dabei die Roille einer Orientierungskunde, die an die Stelle der Religion tritt. Zelebriert wird nicht mehr ein Opfer sondern Identität. Die Erinnerungsarbeit präsentiert Konstruktionsvorschläge oder Modelle dafür. Daran knüpfen sich verschiedene Fragen.
Walter Pamminger

Wucherungen des Indexikalischen


Layoutierungen des Neunzigerjahre

Montag, 9. Dezember 1996: 19 Uhr
Hörsaal 5
Hochschule für angewandte Kunst

Das Layout ist bekanntlich nicht hintergehbar: jede visuell codierte Information ist zwangsläufig topographisch und typographisch strukturiert. Allerdings wurden im abendländischen Denken wegen der beinahe aussschließlichen Fokussierung auf die inhaltlichen Dimensionen der Schrift, deren "materielle" Bedingungen und Sprachmöglichkeiten ignoriert. Gerade diese "materiellen" Aspekte wurden in den letzten Jahren auf dem Sektor des Graphic Designs in extremer weise thematisiert. Provoziert durch digitale Technologien und veränderte Whrnehmungswünsche fand in den letzten Jahren eine Infragestellung von Repräsentationsweisen, ja geradezu eine Revolte gegen modernistische Raster statt. Dabei änderte sich der Status und das Verhältnis von Bildern und Texten dramatisch. Dies führte zu einer Neuverteilung der Gewichtung von Bild/Text-Produzenten und dem Designer.

Basieren auf eigener Sammlung werden relevante, impulsgebende Arbeiten der letzten Jahre vorgestellt. Der Vortrag ist auf Printmedien beschränkt. Primär werden die Topographien von Büchern und Zeitschriften, sowie CD/LP Covers besprochen.