Sektion Ästhetik
2003/2004

Lutz Dammbeck Das Netz - Dokumentarfilm
Jan Assmann (Heidelberg) Was ist so schlimm an den Bildern? Monotheismus und Bilderverbot in der abendländischen Tradition
Sophia Gabriel-Panteliadou Das Wiedereinschreiben als Geste des Verschwindens
Aristoteles mit Derrida
Florian Oberhuber Politische Gesellschaft...
Walter Seitter Lacans Weg zum Barockismus
Madalina Diaconu Manifeste des Geschmacks oder Moralische Menüs
Horst Ebner Die Leere der Mitte
Österreichs Weg am Denken vorbei
Ulrike Kadi Freud und seine Wiener Familie
oder der Ödipuskomplex als Erbe betrachtet
Klaus Ebner Las Meninas und die Folgen.
Vom Bruch der klassischen Episteme zu einer Ethik der Psychoanalyse
Montag, 21. Juni 2004, 19:30 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
Postgasse 6
1010 Wien
Das Netz - Dokumentarfilm

1930 erschüttert der Wiener Mathematiker Kurt Gödel mit seinen Unvollständigkeitssätzen die Grundlagen der Mathematik. 1968 arbeitet der Physiker und Ingenieur Heinz von Foerster in seinem Biological Lab an der Verschmelzung von digitalen und biologischen Systemen. 1995 verhaftet das FBI in der Wildnis Montanas den ehemaligen Mathematikprofessor Theodore J. Kaczynski als den sogenannten „Unabomber“... Was verbindet diese Personen, Orte und Ideen zu dem Netz, das der Film beschreibt? Die Suche nach einer Antwort führt zurück in die Mitte des vorigen Jahrhunderts, wo in Wissenschaft, Kunst und Technologie die Fundamente der Moderne neu gesetzt werden. Einer steigt aus und versucht, sie zu stoppen ... Am Ende wird die Mathematik zur Kunst. Aber um welchen Preis.
Montag, 7. Juni 2004, 20 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
Postgasse 6
1010 Wien
Was ist so schlimm an den Bildern? Monotheismus und Bilderverbot in der abendländischen Tradition

Das Bilderverbot ist das seltsamste Verbot des Dekalogs. Alles andere ist klar verständlich: daß man keine anderen Götter anbeten, den Namen Gottes nicht mißbrauchen, den Sabbat heiligen, Vater und Mutter ehren, nicht töten, nicht ehebrechen, nicht stehlen, nicht falsches Zeugnis ablegen und nicht begehren soll, das alles läßt sich gut verstehen, aber was ist so schlimm an den Bildern, daß Gott sie verbieten muß, und zwar ganz vorn, gleich hinter dem Fremdgötterverbot? Geht es darum, sich kein Bild von Gott zu machen? Weil Gott unsichtbar ist? Oder sind Bilder überhaupt verboten? Weil Kunst gefährlich ist? Das sind die Fragen, denen sich der Vortrag widmet.
Montag, 10. Mai 2004, 19.30 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
Postgasse 6
1010 Wien
Das Wiedereinschreiben als Geste des Verschwindens
Aristoteles mit Derrida


Die politische Wendung zur Demokratie beschreibt Derrida unter anderem auch als das Recht zur Ironie, zum Trugbild, zum Geheimnis, zur Literatur, zur Fiktion etc. In meinem Beitrag wird das Moment fokussiert, das gerade auf Grund seiner Unmöglichkeit diese Wendung ermöglicht. Als Ort des Befragens wird hier das Raster der Zeitlichkeit des Augenblicks und ihre Positionierung als Bedingung der Gabe thematisiert. Dabei richtet sich mein Blick einerseits auf die formale Ebene der aristotelischen Auseinandersetzung mit der Frage nach der Zeitlichkeit in ihrer Überschneidung mit dem Moment der Wiedererinnerung und andererseits wird der Aspekt des Tausches in Derridas Konzeption der Gabe dem gegenübergestellt. Denn es gibt „keine Gabe ohne Intention zu geben“. Diese Situation entsteht in der Interesselosigkeit des Augenblicks, in der und durch die ‘Nicht Existenz’ des Raumes des nun.
Montag, 26. April 2004, 19.30 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
Postgasse 6
1010 Wien
Politische Gesellschaft, argumentierte der französische Philosoph Claude Lefort, konstituiere sich durch ein Prinzip der Interiorisierung, durch die Einschreibung sozialer Beziehungen in denselben Raum und eine gemeinsame Wahrnehmung dieser Einschreibungen, welche mithin nicht nur die Wahrnehmung des Subjekts sind, das sich bemüht, das Politische zu entziffern.
Mein Referat stellt einerseits die Frage, wie es aktuell um dieses Prinzip „politischer Form“ bestellt ist, und andererseits, ob ein Denken in dessen Zeichen noch Aktualität beanspruchen kann. Es soll dies nicht auf dem Wege einer geschichtsphilosophischen, sondern einer anthropologischen Reflexion angegangen werden, die also auf eine grundsätzliche Befragung des Politischen hinausläuft. Anhand der Kategorie politischer Imaginationen soll versucht werden, einige Aspekte der komplexen Struktur des Politischen zur Sprache zu bringen.
Montag, 29. März 2004, 19.30 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
Postgasse 6
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Lacans Weg zum Barockismus

In offensichtlicher Anlehnung an die vom Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin formulierte Unterscheidung zwischen den Stilrichungen des „Klassischen“ und des „Barocken“ hat der Psychoanalytiker Jacques Lacan im Jahre 1973 zwei allgemeine Orientierungsrichtungen unterschieden, die er als „Klassizismus“ und als „Barockismus“ bezeichnete. Er hat damit im Gegensatz zur üblichen sukzessiv-historischen Anordnung von unterschiedlichen Denkungsarten eine simultane und direkt „politische“ gewählt: eine, die Entscheidung nahelegt.

Mein Vortrag soll zeigen, wie Lacan zu einer derartigen Unterscheidung bzw. Ordnung von Denkstilen gelangt ist und welchen Sinn er damit verbindet.
Montag, 20. Oktober 2003, 19.30 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
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Manifeste des Geschmacks oder Moralische Menüs

„Die Welt ist eine Speisekarte, da heißt es bestellen und nicht verzweifeln. Dies ist der Grund der modernen Kondition“, schrieb Peter Sloterdijk 1994. Die Erlebnisgesellschaft hat demnach anscheinend das Interesse an der Gesellschaftskritik verloren und ist einem konsumistischen Anfall verfallen. Ein solches Gegenwartsbild ist zwar berechtigt, doch zugleich einseitig: Die Überflußgesellschaft hat sich mitnichten globalisiert, Hunger gibt es nach wie vor allerorts, und auch der vermeintlich apolitische und narzißtische Hedonismus der bon vivants koexistiert im Westen mit ethischen und politischen Ernährungsmustern. Zur Darstellung kommen in diesem Sinne Phänomene wie Hungerstreik (Proteste gegen eine als ungerecht empfundene sozialpolitische Ordnung), Anorexia nervosa (unbewußter Aufstand gegen Patriarchat und Ausdruck der Identitätskrise der modernen Frau), Vegetarismus (Verteidigung der Tierrechte im Namen einer kosmischen Solidarität aller Lebewesen), Lebensmittelmarken („gerechte“ Fürsorge des Staates in der Krise) und die Auseinandersetzung zwischen einer internationalen und einer regionalen Küche (Nahrungswahl nach dem Kriterium des Herkunftslandes). Alle diese Formen des Eßverhaltens fallen unter die Kategorie der sog. moral menus und stellen Alternativen sowohl zur genießerischen Gastronomie als auch zum Begriff der gegenwärtigen „Gastro-anomie“ dar.

Montag, 3. November 2003, 19.30 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
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Die Leere der Mitte
Österreichs Weg am Denken vorbei

An der Epochenschwelle des 17. Jahrhunderts gerät das „Reich der Mitte“, als römische Idee, zur Schnittstelle einer zweifachen geistig-kulturellen Teilung Europas: als „Bollwerk“ gegen den Prozeß der Säkularisierung im Norden und gegen die drohende Islamisierung im Osten. Österreich - als Reich oder Rest - wird so zu einem realen wie imaginären Grenzterritorium in Permanenz, auf dem das gescheiterte Modell ethnischer Integration zur Darstellung kommt. Einem Zentrum, das, so scheint es, sowohl geopolitisch wie geophilosophisch von jeglicher Besetzung freigehalten werden müsse. Wo weder bürgerliche Revolution noch nationale Erhebung zur Staatlichkeit führte. Wo die de- und reterritorialisierenden Bewegungen des Kapitalismus diesen mächtigen Kuppelraum Habsburg verspätet erreichten. Und wo auch die Herausbildung des Denkens (Begriff) durch die Hegemonie des Ästhetischen (Figur) unterbunden wird. Erst um 1900 sollte dann, durch markante ökonomische und soziale Verschiebungen von der Peripherie ins Zentrum, der weit in die europäische Moderne reichende Barock und damit auch die Leerstelle relevanter Philosophie - zumindest vorläufig - aufgehoben werden.

Montag, 24. November 2003, 19.30 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
Postgasse 6
1010 Wien
Freud und seine Wiener Familie
oder der Ödipuskomplex als Erbe betrachtet

Der Ödipuskomplex gilt nach wie vor als Kernkomplex der Psychoanalyse. Achtzig Jahre nach seiner vollständigen Formulierung stellt sich die Frage nach einem möglichen Umgang mit seinen Implikationen jenseits von Dogmatismus und Relativismus. Der Vortrag geht vom historischen Kontext seiner Entdeckung und von einzelnen Thesen seiner KritikerInnen aus. Der verstorbene Psychoanalytiker Jacques Hassoun hat in seinem Buch Schmuggelpfade der Erinnerung dargestellt, welche besonderen Schwierigkeiten für Kinder von MigrantInnen im Umgang mit Traditionen der Kultur ihrer Eltern auftreten. Auf Basis seiner Thesen werden Bedingungen für die Übernahme des Ödipuskomplexes als eines Erbes formuliert. Dies wird beispielhaft an Eßgewohnheiten der Familie Freud entfaltet.

Montag, 19. Jänner 2004 19.30 Uhr
Lehrkanzel für Kommunikationstheorie
Postgasse 6
1010 Wien
Las Meninas und die Folgen.
Vom Bruch der klassischen Episteme zu einer Ethik der Psychoanalyse

Im Jahre 1966 setzten sich sowohl Jacques Lacan als auch Michel Foucault mit dem Gemälde Las Meninas - Die Hoffräulein des spanischen Malers Diego Velázquez auseinander.

In der dichten Beschreibung dieses Gemäldes, welche das Buch Die Ordnung der Dinge einleitet, versucht Foucault die ersten Anzeichen für einen folgenreichen Bruch im Selbstverständnis des Menschen auszumachen. Inwiefern diese von Foucault postulierte historische Zäsur in einem Zusammenhang steht mit der Entstehung der Psychoanalyse und in welcher Weise davon die Frage einer möglichen Ethik dieser Disziplin, wie sie Lacan immer wieder ins Zentrum seiner Lehre rückte, berührt wird, soll in einem Vortrag, der sich als Panorama zu einer solchen Fragestellung versteht, nachgegangen werden.